Sonntag, 6. März 2022

338 - Dystopie mit Auffangnetz

John Ironmonger hat sich in seinem 2019 erschienenen Buch Der Wal und das Ende der Welt die Frage gestellt, wie es sein würde, wenn die Welt von einem extrem gefährlichen Virus bedroht werden würde. Nein, kein Corona-, sondern ein extrem gefährlicher Grippevirus ist es, der die Menschheit existenziell bedroht.

Ironmonger wurde durch  ein Forschungsprojekt auf die Idee zu seinem Buch gebracht, von dem er 2014 erfahren hatte. Der an der University of Wisconsin-Madison beschäftigte Wissenschaftler Yoshihiro Kawaoka hatte auf der Grundlage des Erregers der Spanischen Grippe eine besonders aggressive Virusmutation entwickelt, die dem menschlichen Immunsystem entgehen kann. Das Projekt war sehr umstritten und Kawaoka hat wegen der Gefährlichkeit der neuen Virusmutation seine Forschungsergebnisse nicht veröffentlicht. Das Ergebnis seiner Arbeit liegt seitdem in einem Hochsicherheitslabor.

Die Hauptperson des Romans ist Jason "Joe" Haak, ein junger Mathematiker, der als Analyst bei einer Investmentbank arbeitet. Um besonders erfolgreich bei Leerverkäufen von Aktien zu sein, entwickelt Joe das Programm "Cassie", das Krisen in einem begrenzten Zeitraum berechnen und vorhersagen kann. Doch dann scheint Cassie zu versagen, der Bank entstehen Millionenverluste. Joe verlässt fluchtartig seinen Arbeitsplatz.

Verzweifelt fährt er ziellos umher, bis die Straße in dem kleinen abgelegenen Fischerdorf St. Piran in Cornwall endet. Hier geht Joe nackt in den Atlantik, um seinem irdischen Dasein ein Ende zu machen. Doch der Plan geht nicht auf: Durch die Welle, die ein auftauchender Finnwal verursacht, wird er an den Strand gespült. Joe überlebt, doch einen Tag später wird ein Finnwal an den Strand von St. Piran gespült, der nicht aus eigener Kraft zurück ins Meer kommt. Joe motiviert die Dorfbewohner, das Tier mit vereinten Kräften zu retten, und wird für die Einheimischen zum Helden.

Joe lässt der Gedanke an Cassie jedoch keine Ruhe und er wählt sich in das Programm ein. Was er dort sieht, lässt Böses ahnen: Ein offenbar sehr aggressiver Grippevirus hat seine Wanderung um die Erde angetreten. Joe ist sofort klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis auch in den Dörfern Cornwalls die ersten Menschen erkranken und sterben würden. Er beschließt, Vorsorge zu treffen und sein ganzes Vermögen einzusetzen, um die Menschen in St. Piran vor diesem Schicksal zu retten. Cassie kann zwar Ereignisse und ihre Auswirkungen bewerten, nicht aber, wie sich Menschen in Notlagen verhalten. Liegt hierin eine Chance?

Lesen?

John Ironmonger nimmt sowohl bei Thomas Hobbes' Leviathan, der biblischen Geschichte "Jona und der Wal" als auch dem Buch "Kollaps - Warum Gesellschaften überleben oder untergehen" des Pulitzer-Preisträgers Jared Diamond Anleihen. Er macht sich darüber Gedanken, inwieweit es noch einen gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt, wenn eine riesige Katastrophe über uns hereinbricht.

St. Piran hält zusammen, obwohl die 307 Bewohnerinnen und Bewohner keine homogene Gemeinschaft sind. Ironmonger erzählt von Geheimnissen, ungewöhnlichen Fähigkeiten einzelner Menschen und - das darf wohl nicht fehlen - der Liebe. Es geht in seinem Buch um Ethik und Moral sowie den unbedingten Willen, das eigene Leben und das der Mitmenschen zu erhalten.

Eine uneingeschränkte Leseempfehlung möchte ich nicht abgeben. Der Roman gehört zwar zu der Sorte, die man zur Hand nimmt und erst nach dem Lesen der letzten Seite wieder weglegt; dennoch empfinde ich ihn in der Gesamtschau als zu weichgespült und in weiten Teilen vorhersehbar. Das Ende, das sich Ironmonger für seinen Helden Joe überlegt hat, habe ich als unglaubwürdig und merkwürdig empfunden. Der Wal und das Ende der Welt ist so etwas wie eine Dystopie light.

Der Roman ist im S. Fischer Verlag erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 22 Euro, als Taschenbuch 12 Euro sowie als Hörbuch 9,99 Euro.

 

2 Kommentare:

  1. ich mochte dieses Buch, hatte mich auf sein Neues gefreut, war jedoch sehr enttäuscht, habe es nach einigen Seiten beiseite gelegt...
    lg wolfgang

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    1. Mich hat bislang nicht gereizt, ein weiteres Buch von Ironmonger zu lesen. Dein Kommentar bestärkt mich eher darin. ;-) LG Ina

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