Samstag, 26. August 2023

# 406 - Eine lyrische Liebeserklärung an die schönste Insel der Welt

Welche tatsächlich die schönste Insel der Welt ist, liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. Aber Thilo Schmid hat seine Wahl getroffen: Mallorca. Die größte Insel der Balearen ist seit einigen Jahren sein Sehnsuchtsort, an dem er sich zu Hause und mit dem er sich verbunden fühlt.

Schon vor etwa zwanzig Jahren schrieb Schmid Gedichte und erlangte mit ihnen so viel Aufmerksamkeit, dass er mehrere Literaturpreise erhielt. Doch dann kam das Leben dazwischen, und die Poesie trat in den Hintergrund - bis er zum ersten Mal nach Mallorca kam. Die Landschaft und Atmosphäre der Insel ließen etwas in ihm zum Klingen bringen und brachten Thilo Schmid wieder zum Schreiben. Du bist eine Insel entführt seine Leserinnen und Leser in ein Mallorca fern von Ballermann und Schinkenstraße. 

Schmids Gedichte sind kurz, aber greifen sehr feinfühlig Stimmungen und Emotionen auf. Seine bildliche Sprache lässt die Serra de Tramuntana, Schmids Lieblingsgegend, vor dem inneren Auge erstehen. Da ist die blühende Bougainvillea, die symbolisch für die Liebe steht; die an den Feigenbaum gelehnte Leiter wird zu einem Weg in den Himmel mit seinen Sternen; die Heftigkeit eines Morgengewitters wird mit Fischer- und Kriegsmotiven beschrieben.

Wie eng der Dichter sein Band mit Mallorca empfindet, drückt u. a. das Gedicht Glücklicher Moment aus, das mit einem christlichen Motiv spielt:

Die Sonne steht im Zenit.

Für einen Moment werfen wir
keinen Schatten
und nichts wirft Schatten
auf uns.

Erhitzt taufen wir uns
im Becken des Baches.

Unlösbar von nun an unsere Gemeinschaft
mit der Insel. 

Die Künstlerin Birte Thurow war zunächst nur gebeten worden, das Cover zu gestalten. Doch Schmids Gedichte lösten bei ihr so viel Inspirationen zu farbgewaltigen Kunstwerken aus, dass einige von ihnen den Weg ins Buch fanden. Jedes dieser Bilder unterstreicht die Wirkung der Worte, die Thilo Schmid für seine Poesie gefunden hat.

Schmid versteht Du bist eine Insel als ein Geschenk an Mallorca und seine Naturschönheiten. Da lag es nahe, die Gedichte ins Spanische übersetzen zu lassen. Diese sensible Aufgabe hat das renommierte Übersetzer-Duo Angelica Ammar und Javier Salinas übernommen. So stehen den deutschen Versen immer auch die spanischen gegenüber. 
Zeitgleich mit Du bist eine Insel ist das Buch im April 2023 unter dem Titel Eres una Isla in Spanien erschienen. 

Thilo Schmidt im Interview 

Ich habe mich mit Thilo Schmid über sein Buch und sein Leben unterhalten, um ihn ein bisschen kennenzulernen. Seine offenen Antworten auf meine neugierigen Fragen lest ihr hier:

Du lebst in Hamburg und hast mit Deinem Gedichtband "Du bist eine Insel - Eres una Isla" der Baleareninsel Mallorca ein romantisches und strahlendes Denkmal gesetzt. Warum fühlst Du Dich gerade auf dieser Insel so zu Hause?

Für mich war die Begegnung mit Mallorca wie eine Liebe auf den ersten Blick. Als ich die Insel zum ersten Mal betreten habe, war es mir, als käme ich nach einer langen Reise zurück nach Hause. Ich liebe ihre unterschiedlichen Landschaften, vor allem den Nordwesten der Insel, das Zusammentreffen von  Bergen und Meer, die besondere Vegetation dort, die kleinen, versteckten Buchten, die pittoresken Städtchen, die engen Straßen entlang der Küste, den weiten Sternenhimmel, den mineralischen Wein, die beruhigende Abgeschiedenheit, das Archaische. Alles dort bringt mich zum Klingen. Lässt mich „Mensch“ sein und zu meinem Kern, zur Ruhe kommen. Ich bin nirgendwo auf der Welt glücklicher und zufriedener als dort. Aber das hat auch viel mit Julia zu tun, der Frau, die mir diesen Ort gezeigt hat, mit der ich dort sein darf und die ich liebe.

Bevor Du "Du bist eine Insel" veröffentlicht hast, hat es von Dir über zwanzig Jahre kein Buch gegeben. Was hat Dich daran gehindert, nicht schon früher wieder einen Titel herauszugeben?

Es gab keine Notwendigkeit zum Schreiben. Tatsächlich sind fast zwanzig Jahre lang keine Texte, keine Gedichte entstanden. Es war einfach nicht an der Zeit. Mit der Begegnung mit Julia sind die Gedichte zurückgekehrt. In den letzten Jahren sind nun gleich mehrere Hundert entstanden - diese mussten noch einige Zeit „reifen“ und sind nun in der Welt.

Ich habe gelesen, dass Du damals einige namhafte Literaturpreise bekommen hast und als das vielversprechendste Talent Deiner Generation bezeichnet wurdest. Du wurdest in einem Atemzug mit Botho Strauß oder Patrick Süskind genannt. Dennoch bist Du diesen literarischen Weg nicht weitergegangen, sondern hast Deine berufliche Laufbahn ganz anders gestaltet. Was waren die Gründe für diese Entscheidung?

Trotz des Erfolges damals habe ich mich tatsächlich nie als Schriftsteller empfunden, sondern als schreibender Mensch mit vielerlei Interessen, vor allem aber war ich immer vor allem begeistert von Büchern - sie haben meine persönlichen und beruflichen Wege geprägt. Mehr als alles andere.

Mit der Gründung einer Familie habe ich die Verantwortung für andere Menschen übernommen, das bedeutete auch, dass ich nachhaltig  Geld verdienen und nicht länger abhängig vom Zeitgeist, Stipendien und Förderungen sein durfte.

Ich habe also eine Ausbildung zum Buchhändler gemacht, später noch studiert und konnte so meinen Weg gehen.

In der Buchbranche kennt man Dich als Vertriebs- und Marketingleiter der Verlagsgruppe Oetinger. Von außen betrachtet ist das eine verantwortungsvolle Tätigkeit, die mit der eines Autors aber nichts gemeinsam hat. Ist das Schreiben für Dich ein Ausgleich zu Deinem Berufsleben?

Nein, ich glaube nicht an solcherlei „Balancen“ – Work-Life-Schreiben durchdringen einander, sind Facetten… Und auch im Schreiben hat man natürlich -  zumindest, wenn man veröffentlicht –  eine Verantwortung. Kreativ und abwechslungsreich sind beide Bereiche. Das poetische Denken (oder Schreiben) ist für mich kein Ausgleich, es ist einfach (wieder) ein Teil meines Lebens, ein unmittelbarer Hallraum, eine Art des Denkens, des sich Versicherns, des Verstehens. Es ist einfach da.

Deine auf Deutsch geschriebenen Gedichte wurden von Angelica Ammar und Javier Salinas ins Spanische übersetzt. Wie ist die Zusammenarbeit mit den beiden entstanden?

Durch schlafwandlerisches Glück. Ich habe mir über unser Lektorat gute Übersetzer nennen lassen… und die beiden Namen sind gefallen. Mir gefiel der Ansatz zwei Übersetzer zu haben, von denen die eine Deutsche ist, die in Spanien lebt, und der andere spanischer Muttersprachler ist, der wunderbar Deutsch spricht. Die beiden sind miteinander befreundet und es gewohnt, sich über Sprache auszutauschen, sich anzunähern, das „richtige“ Wort zu finden.

Glücklicherweise hatten beide ein kleines Zeitfenster und konnten fast umgehend loslegen. In der Folge haben wir uns dann – über die intensive Arbeit an den Texten und dem Ringen um einzelne Wörter  – immer besser kennengelernt und sind uns in der Zwischenzeit auch persönlich begegnet. Wir mögen und schätzen einander sehr. Gerade bin ich wieder auf dem Weg auf die Insel, um die beiden dort für eine gemeinsame Lesung in Palma zu treffen, das wird herrlich!

Ich habe die Zusammenarbeit mit beiden als unglaubliche Bereicherung empfunden und wusste meine Texte in den besten Händen. Behutsam und selbstbewusst wurden diese ins Spanische übertragen und finden dort nun Dank der Sensibilität und des Könnens der beiden zahlreiche LeserInnen.

Hast Du geplant, weitere Bücher zu veröffentlichen?

Ja. Jede Veröffentlichung birgt Türen in großartige Begegnungs- und Erlebnisräume. Und da die letzten Jahre nun sehr produktiv und meine Erfahrungen mit BoD sehr erfreulich waren, kann ich mir das sehr gut vorstellen… und habe schon erste Ideen.

Die Hamburger Künstlerin Birte Thurow hat für "Du bist eine Insel" fünf farbgewaltige Illustrationen geschaffen. Kannst Du Dir auch für künftige Titel eine Zusammenarbeit mit ihr vorstellen?

Jederzeit – auch das war ein großes Glück. Ich kannte Birte aus dem beruflichen Kontext und mag ihre Kunst und vor allem ihre intuitive, unkonventionelle und sehr kreative  Herangehensweise. Daher hatte ich sie gebeten, ein Cover für den Band zu entwerfen und ihr die Texte geschickt sowie ein Moodboard mit Bildern und Farben erstellt.

Wenig später kam Birte dann statt mit einem mit über 10 Kunstwerken um die Ecke, die mich alle total begeistert und meinen Texten eine zusätzliche Ebene verliehen haben.

Sie ergänzen und verstärken die Gedichte auf eine so einzigartige und wundervolle Art und Weise, dass wir uns schnell entschieden haben, gleich mehrere der Kunstwerke mit ins Buch aufzunehmen. Diese illustrieren, interpretieren und gliedern nun die Texte - und sind ein ästhetischer Genuss.

Wer sich in Deine Gedichte vertieft hat, weiß, dass Du darin die Schönheit mehrerer Orte auf Mallorca beschreibst. Hand aufs Herz: Wo bist Du dort am liebsten und warum?

In der Tramuntana, einen Steinwurf unterhalb von Biniaraix. Weil dort Julias Feigenbaum steht…

Lieber Thilo, ich bedanke mich herzlich für dieses Interview.

Thilo Schmid hat meine Fragen am 16. August 2023 beantwortet. Die Lesung in Palma hat am 18. August 2023 stattgefunden und war ein voller Erfolg.

Fotos aus Mallorca

Ich zeige Euch hier einige Fotos, die mir der Autor freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Stimmungen und Eindrücke auf Mallorca wie diese haben ihn zu seinen Gedichten inspiriert:

Sonnenuntergang in der Serra Tramuntara
Abendstimmung in Biniaraix



Einige Impressionen von der Lesung in der Buchhandlung Casa del Libro in Palma:

Thilo Schmid mit Javier Salinas im Casa del Libro, 18.8.23


Du bist eine Insel ist 2023 bei Books on Demand (BoD) erschienen und kostet als Hardcover-Ausgabe (mit Schutzumschlag und Lesebändchen) 25 Euro sowie als E-Book 8,99 Euro.

Freitag, 18. August 2023

# 405 - Der kalte Tod eines Jugendlichen

Jenny Lund Madsen ist in Dänemark als Drehbuchautorin bekannt geworden. 2020 hat sie mit Tredive Dages Mørke ihr erstes Buch veröffentlicht, das 2023 unter dem Titel 30 Tage Dunkelheit auf Deutsch herausgebracht wurde. 

Im Mittelpunkt steht Hannah Krause-Bendix, eine in ihrer Heimat Dänemark renommierte Schriftstellerin. Vier Bücher hat sie veröffentlicht, nie eine schlechte Rezension bekommen und war zwei Mal für den Literaturpreis des Nordischen Rats nominiert. Für eine Auszeichnung hat es jedoch bisher nie gereicht, und Hannah vermutet, warum: Ihre Bücher sind für den Massengeschmack zu anspruchsvoll. Das geht leider mit schlechten Verkaufszahlen einher, die Hannah mit einem zu hohen Alkoholkonsum kompensiert. Sie lebt zurückgezogen in einfachen Verhältnissen und ist auf die Zahlungen des staatlichen Kunstfonds angewiesen.

Kritische Selbstreflexion ist nicht ihr Ding, und so wundert man sich nicht, dass der einzige Mensch, den sie als Freund bezeichnen würde, ihr Lektor Bastian ist. Er spornt sie an, an ihrem aktuellen Buch weiterzuarbeiten, aber Hannah ist mit dem, was sie schreibt, unzufrieden und kommt nicht weiter. Bastian zuliebe (und um die Buchverkäufe anzukurbeln) nimmt sie an einer Buchmesse teil. Doch der Zufall will es, dass gegenüber ihres Verlagsstandes eine Bühne ist, auf der ihr Erzfeind Jørn Jensen seinen neuesten Krimi vorstellt und vom Publikum bejubelt wird.

Krimis sind in Hannahs Welt ein verabscheuungswürdiges Genre, und Jørn gehört ihrer Meinung nach zu dessen unfähigsten Vertretern. Doch wie man es dreht und wendet: Er hat Erfolg und sie nicht. In ihrem Zorn bricht Hannah vor aller Augen einen Streit vom Zaun, an dessen Ende eine Wette steht: "In einem Monat habe ich einen Krimi geschrieben, der besser ist als alles, was du jemals veröffentlicht hast", schleudert sie ihm zu ihrer eigenen Überraschung entgegen.

Gesagt ist gesagt. Bastian ist von so viel unerwarteter Publicity begeistert und organisiert für Hannah sofort eine passende Unterkunft in Island, wo diese die nötige Ruhe haben wird, um ihren ersten Krimi zu schreiben. Er schickt sie zu Ella, einer Freundin seiner Familie, die in einem abgelegenen Fischerdorf sechs Autostunden von Reykjavík entfernt lebt - und über 2.000 Kilometer Luftlinie von Hannahs Heimatstadt Kopenhagen entfernt.

Hannah hat sich allerdings kaum häuslich bei ihrer Gastgeberin eingerichtet, als deren siebzehnjähriger Lieblingsneffe Thor tot im Hafenbecken des Ortes gefunden wird. Der mit der Situation überforderte Dorfpolizist Viktor würde den Fall am liebsten als Unfall einstufen und zu den Akten legen. Hannah mag daran nicht glauben, denn der Jugendliche hatte Angst vor dem Wasser und konnte nicht schwimmen. Er mied das Wasser, sehr zum Ärger seines Vaters Ægir, des erfolgreichsten Fischers im Ort.

Hannah mischt sich immer wieder in Viktors Ermittlungen ein und hofft dabei, das Erlebte in ihren Krimi einfließen lassen zu können, mit dem sie nicht recht vorankommt. Sie ahnt nicht, dass sie sich damit in Lebensgefahr begibt. Was sie noch nicht weiß: Das Fischerdorf hütet seit Langem das Geheimnis um ein Verbrechen, das Jahrzehnte zurückliegt. Zu Hannahs Glück bekommt sie aus einer unerwarteten Richtung Unterstützung.

Lesen?

30 Tage Dunkelheit spielt im November. Dieser Monat ist in Island nicht nur bereits sehr winterlich, sondern hat mit sechseinhalb Stunden sehr kurze Tage. In Hannahs Wohnort Kopenhagen sind es immerhin zwei Stunden mehr. Und so empfindet die Schriftstellerin die Tage in Island auch: Kaum ist der Morgen angebrochen, bricht schon die Dämmerung herein. Dieses Phänomen steht symbolisch für Hannahs Fremdeln mit der Kultur und den Menschen Islands. Erst nach und nach ändert sie ihre Meinung und damit auch ihr bislang menschenfeindliches Sozialverhalten.

Jenny Lund Madsens Debüt ist eine schöne Mischung aus Krimi, einem kritischen Blick auf gesellschaftliche Vorurteile und einem Entwicklungsroman - diesmal im Hinblick auf eine Erwachsene. Der Spannungsbogen hat hier und da eine leichte Delle, aber 30 Tage Dunkelheit ist sehr gut gemachte Unterhaltung. Mal sehen, ob wir irgendwann noch mehr über Hannah Krause-Bendix erfahren.

Jenny Lund Madsen erhielt für Tredive Dages Mørke 2021 den dänischen Harald-Mogensen-Literaturpreis für den besten Krimi des Jahres.

30 Tage Dunkelheit ist 2023 im Tropen Verlag erschienen und kostet als Paperback 18 Euro sowie als E-Book 13,99 Euro.


Sonntag, 6. August 2023

# 404 - Schockwellen - ein Sachbuch, das Zusammenhänge verständlich erklärt

Claudia Kemfert ist seit fast zwanzig Jahren
Abteilungsleiterin für die Bereiche Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und lehrt seit drei Jahren an der Leuphana Universität Lüneburg "Energiewirtschaft und Energiepolitik". In ihrem Buch Schockwellen analysiert sie, in welcher Situation sich Deutschland im Hinblick auf seine Energieversorgung befindet und wie das Land dorthin geraten ist.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine am 22. Februar 2022 war in vielerlei Hinsicht eine Zäsur, nicht nur, was die Energiepolitik und ihre frühere und zukünftige Ausrichtung betrifft. Wir erinnern uns: Plötzlich stand auch Laien vor Augen, welche Folgen die enge Anbindung Deutschlands an Russland hat, wenn es um die Versorgung mit Erdöl und Erdgas und damit auch um Strom geht. Schlagartig wurde vielen klar, dass das nicht hätte sein müssen, wenn sich die Politik schon Jahre zuvor deutlich mehr auf den Ausbau von erneuerbaren Energien konzentriert und sich von Russland abgenabelt hätte. Statt dessen wurden Projekte wie Nord Stream 1 und 2 durchgeführt und die Bindung noch verstärkt. Und das, obwohl es zahlreiche Hinweise darauf gegeben hat, dass Putin Rohstofflieferungen als probate Druckmittel ansieht, um seinen politischen Einfluss in der Welt zu mehren.

Die für die Nord Stream 1 und 2 verantwortlichen Regierungen unter Kanzler Schröder und Kanzlerin Merkel beklatschten die beiden auf eine Lebensdauer von 50 Jahren ausgelegten Anlagen, mit denen so viel Erdgas transportiert werden kann, dass damit eine vollständige Versorgung ganz Deutschlands erreicht werden könnte. Gleichzeitig versprach die damalige Bundeskanzlerin Merkel, Treibhausgasemissionen bis 2050 um bis zu 95 Prozent zu reduzieren. Klingt seltsam? Ist es auch.

Aber was nützt das Jammern um frühere Fehler? Wir leben im Hier und Jetzt und müssen geeignete Strategien einsetzen, um unsere Energie-Zukunft zu sichern. Das kann nur ohne Russland passieren. Mit dem Beginn des Angriffskriegs wurden mehrere Sanktionen gegen Russland eingeleitet, zu einem 100 %-igen Bruch kam es aber nicht: Zu groß waren die Ängste der Politik vor einer Rezession und sozialen Verwerfungen. 

Claudia Kemfert hält Kritikern, die der Meinung sind, dass ein Industrieland wie Deutschland nicht mit Wind und Sonne überleben kann, eine Antwort bereit: Ihr habt recht! Ergänzend zu Wind- und Solarenergie führt ein Strauß von Maßnahmen dazu, dass eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien erreicht werden kann. Dazu sind der politische Wille, Bürokratieabbau sowie die Re-Kommunalisierung der Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung nötig.

Lesen?

Schockwellen führt auch denjenigen, die sich bisher nicht oder kaum mit dem Thema Energieversorgung beschäftigt haben, vor Augen, wo die Probleme in der Vergangenheit lagen, die heutigen liegen sowie man ihnen wirksam begegnen kann. Man bekommt mit den von Kemfert vorgeschlagenen Maßnahmen eine grüne Energieversorgung, die nach ihren Ausführungen sogar den Charme hat, preisgünstiger als die heutige zu sein. Die Dringlichkeit zu handeln, macht der Untertitel deutlich: Letzte Chance für sichere Energien und Frieden. Lesen? Ja!

Schockwellen ist 2023 im Campus Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 26 Euro sowie als E-Book 23,99 Euro.