Mittwoch, 15. Oktober 2025

# 490 - Der große UFA-Bluff - Überleben im 3. Reich

Mit seinem Roman Der große Ufa-Bluff greift Anton Leiss-Huber eine historische Begebenheit auf, die sich 1945 kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs ereignet hat, aber bislang ziemlich unbekannt war.

Die Nationalsozialisten versuchen dem Volk (und wahrscheinlich auch sich selbst) vorzugaukeln, dass der Endsieg nah ist. Doch nicht nur Durchhalteparolen sollen die Stimmung aufhellen, sondern auch Kinofilme. Die erfolgreichen und beliebten Ufa-Schauspielerinnen und -Schauspieler werden hofiert, solange sie dem Regime nützlich sind. Aber mittlerweile gehen den Nazis die Soldaten aus, und so müssen auch die Ufa-Darsteller befürchten, dass man sie zum Volkssturm schickt. Da schmiedet der Produktionsleiter Eberhard Schmidt einen Plan: Gemeinsam mit einer Schauspiel-Crew sowie Erich Kästner und dessen Freundin setzt er sich von Berlin in das Tiroler Dorf Mayrhofen ab. Dort ist es sicherer als in der Hauptstadt. 

Das Team gibt vor, einen kriegswichtigen Film zu drehen - was mangels Material gar nicht möglich ist. Aber der Schein muss sowohl gegenüber den Dorfbewohnern als auch dem Regime aufrechterhalten werden. Das ist nicht so leicht, weil die Neuankömmlinge auf Bauernhöfen untergebracht werden und sich nun mit den Einheimischen die ohnehin zu wenigen Lebensmittel teilen müssen. Die Mayrhofener sind ohnehin nicht gut auf Berlin zu sprechen und beobachten die neuen Mitbürger mit Argwohn.

Nachdem die Finte einige Zeit funktioniert hat, bahnt sich eine Komplikation an: Der Ortsgruppenleiter möchte sich mit ein paar Gästen ansehen, was bislang gedreht wurde. Jetzt ist jede Menge Kreativität gefragt, um die Täuschung aufrecht zu erhalten und die Zeit bis zum hoffentlich bevorstehenden Kriegsende zu überbrücken.

Lesen?

Anton Leiss-Huber verbindet gekonnt historische Tatsachen mit Fiktion und würzt die Handlung mit Spannung und einer Liebesgeschichte. Der große Ufa-Bluff ist jedoch keine triviale Geschichte, sondern erzählt auch von den existenziellen Ängsten und Nöten aller Beteiligten. 

Anton Leiss-Huber hat die Vorgänge in Mayrhofen genau recherchiert. Die ausführlichste Quelle waren die Aufzeichnungen von Erich Kästner, die unter dem Titel Notabene 45 veröffentlicht wurden. Eines ist klar: Angesichts der zahlreichen Schwierigkeiten, die die Film-Crew bewältigen musste, dürften damals einigen die Schweißperlen auf der Stirn gestanden haben.

Der große Ufa-Bluff ist am 9. Mai 2025 im Gmeiner-Verlag erschienen, einen Tag nach dem 80. Jahrestag der Befreiung der Deutschen vom Nationalsozialismus.
Der Roman kostet 18 Euro sowie als E-Book 10,99 Euro.

Mittwoch, 8. Oktober 2025

# 489 - Eine Frau kämpft im Bürgerkrieg um ihr (Über-)Leben

Isabel Allende ist mit ihrem neuesten Roman Mein
Name ist Emilia del Valle
 einem roten Faden treu geblieben, der sich durch die meisten ihrer Bücher zieht: Im Mittelpunkt steht eine junge Frau, die unter schwierigen Umständen aufwächst und sich eines Tages vornimmt, ihren biologischen Vater, der ihre Mutter nach einer kurzen Affäre verlassen hat, zu suchen. Es ist nicht einfach, dieses Ziel zu erreichen: Emilia wird 1866 als Tochter einer irischstämmigen Nonne geboren und wächst im armen Teil von San Francisco auf. Ihr Vater ist ein chilenischer Adeliger, von dem sie nichts außer seinem Nachnamen weiß: del Valle.

Emilia findet schon als junge Frau Gefallen am Schreiben. Sie beginnt als 17-Jährige mit Groschenromanen und wird mit 23 bei der örtlichen Tageszeitung angestellt - obwohl sie eine Frau ist. Aber sowohl die Heftchen als auch die Zeitungsreportagen werden unter ihrem männlichen Pseudonym veröffentlicht. 

Doch dann verdichten sich in Chile 1891 die Anzeichen für einen Bürgerkrieg. Emilia ergreift die Gelegenheit und bittet ihren Vorgesetzten, für die Zeitung vor Ort recherchieren zu dürfen. Gemeinsam mit einem befreundeten Kollegen macht sie sich auf den Weg nach Südamerika.

Bis zu diesem Zeitpunkt zeichnet Allende ihre Hauptfigur als freiheitsliebende junge Frau, die entgegen der damaligen Moralvorstellungen auch nicht davor zurückschreckt, sexuelle Erfahrungen zu sammeln, ohne verheiratet zu sein. Sie ist strukturiert und geht zielstrebig vor, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.

In Chile angekommen, lernt Emilia die Grausamkeit des Bürgerkriegs kennen, aber auch den Zusammenhalt und Schutz durch eine Frauengruppe, die die Kämpfer auf dem Schlachtfeld versorgt. Ihr Beruf als Journalistin öffnet ihr Türen, die ihr als Ausländerin normalerweise verschlossen geblieben wären.

Leider beginnt diese Zielstrebigkeit zu bröckeln, als Emilia ihren Vater findet. Er ist dem Tod nah, erkennt sie aber als seine Tochter an. So erbt sie ein entlegenes Grundstück im Regenwald, mitten in den Jagdgründen der Mapuche. Die Entscheidung, die sie nun trifft, ist fern von jeder rationalen Überlegung und lässt sich auch emotional nur schwer herleiten. Doch ihr Kollege, der in Chile von einem Begleiter zu ihrem Partner geworden ist, hält an der Beziehung fest. 

Lesen?

Isabel Allendes in ihren Werken immer wiederkehrendes Thema Feminismus und ihre Auseinandersetzung mit ihrer Heimat Chile prägen auch Mein Name ist Emilia del Valle. Und wie gewohnt fließen auch eigene Erfahrungen der Autorin in die Handlung ein. Ein Hauch Erotik darf auch diesmal nicht fehlen, aber die entsprechenden Szenen wirken mehr kitschig als leidenschaftlich.

Insgesamt ist Mein Name ist Emilia del Valle ein gutes Buch, es reicht aber nicht an andere Romane von Isabel Allende heran.

Mein Name ist Emilia del Valle ist 2025 im Suhrkamp Verlag erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 28 Euro sowie als E-Book 23,99 Euro.