Eine neue Plattform für Exil-Literaten
Grote hat sich dem Schicksal der Exilautoren mit einer Akribie genähert, wie man sie nur selten findet. Im Untertitel seines Buches weist er darauf hin, um welche Schriftsteller es im Wesentlichen geht: Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig, Joseph Roth und Klaus Mann stehen im Mittelpunkt der Betrachtung, aber es fallen auch andere Namen: Bertold Brecht, Thomas Mann und Stefan Zweig spielten in der damaligen Literaturszene eine ebenso große Rolle. Grote beschäftigt sich auch mit den Verlegern, mit denen diese Autoren unmittelbar zu tun hatten: Das Schicksal des früheren Teilhabers des Gustav Kiepenheuer Verlages Potsdam, Fritz Landshoff, wird ebenso beschrieben wie das seiner Kollegen Hermann Kesten und Walter Landauer.
Beim Lesen wird immer deutlicher, dass keiner der beschriebenen Schriftsteller Deutschland als Heimatland abgelehnt hatte, weil man selbst dort unerwünscht geworden war. Das galt weder zum Zeitpunkt der Flucht noch später. Bei fast allen hat die Notwendigkeit, sich im Ausland eine neue Existenz oft aus dem Nichts aufzubauen, schwere innere Zerwürfnisse ausgelöst.
Der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 war der Startschuss für die Säuberungsaktionen der Nationalsozialisten: Die „Reichstagsbrandverordnung“ setzte Grundrechte außer Kraft und gab dem Regime die Möglichkeit, Oppositionelle zu verhaften und die Herausgabe von nicht erwünschten Zeitungen zu verbieten. Die SA hatte bereits bei Landshoffs Freund Ernst Toller erfolglos nach beiden Männern gesucht, was den Verleger dazu veranlasste, ständig die Unterkunft zu wechseln.
Mit dem Zeitpunkt der Machtergreifung war allen Angestellten, Autoren und Teilhabern des Kiepenheuer Verlages klar, dass dessen Tage gezählt sein würden. Täglich kamen nun Autoren, um sich vor ihrer Abreise ins Exil zu verabschieden. Landshoff war in Gefahr, weil er sowohl Jude war als auch regimekritische Ansichten vertrat. Während Kesten und Landauer nach Frankreich ins Exil gingen, nahm Landshoff das Angebot des niederländischen Verlegers Emanuel Querido an, in dessen Amsterdamer Verlagshaus eine Abteilung zu gründen, die sich nur um die Veröffentlichung von Werken der deutschen Exil-Schriftsteller kümmerte.
Auch Landauer fand sich einige Monate später in Amsterdam wieder. Der Allert de Lange Verlag hatte ebenfalls vor, eine deutsche Exil-Abteilung ins Leben zu rufen. Fortan lebten die beiden Verlage in ständiger Konkurrenz um Autoren, Rechte und Verträge, was ihnen wirtschaftlich geschadet hat.
Die Autoren, von denen in Schreiben im Exil 1933-1935 die Rede ist, gehörten vor 1933 zur deutschen Schriftsteller-Elite. Mit der Machtergreifung verloren sie Zug um Zug ihr Eigentum in Deutschland. Manche konnten etwas davon ins Exil retten, andere verloren praktisch ihren ganzen Besitz. So ist zumindest zum Teil zu erklären, dass etliche von ihnen mit der neuen Situation keinesfalls professionell umgingen: Sie rangen um ihr Honorar, ohne zu wissen, wie ein Buchpreis zustande kommt oder zu welchem Preis sich ein Buch verkaufen lässt. Eitelkeiten wurden gepflegt, Realitäten ignoriert, nicht vorhandenes Geld ausgegeben, bis die Schulden sich manchem wie eine Schlinge um den Hals legten. Einige Schriftsteller beschworen noch den Zusammenhalt der deutschen Exil-Autoren, aber letztlich waren sich die meisten von ihnen selbst am nächsten. Waren die unerwünschten Schriftsteller eine Schicksalsgemeinschaft?
Diese schmerzliche Erfahrung musste beispielsweise auch Klaus Mann mit seiner literarischen Monatszeitschrift „Die Sammlung“ machen, die erstmalig im September 1933 im Querido Verlag erschien. Einige Schriftsteller, die zu Beginn ihre Mitarbeit fest zugesagt hatten, distanzierten sich dann von der Publikation, darunter auch sein Vater Heinrich Mann oder Stefan Zweig. Ihnen war die Ausrichtung der Zeitschrift zu politisch, und sie befürchteten, dass sich ihre Bücher nicht mehr verkaufen lassen würden, wenn sie sich hier mit Beiträgen engagierten. Andere waren nur für ein Mindesthonorar zu einer Mitarbeit zu bewegen oder brachten Klaus Mann immer wieder in Schwierigkeiten, in dem sie die Abgabe von fest zugesagten Artikeln verschoben. Engagement und Kooperation sehen anders aus.
Alles zusammen und der Umstand, dass die Lieferungen ins Ausland, die an Deutschland vorbei führen mussten, umständlich und teuer waren, führten 1935 dazu, dass das Blatt aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden musste.
Lesen?
Schreiben im Exil 1933-1935 richtet sich an alle Leser, die sich für die Auswirkungen des Dritten Reiches auf die nicht systemkonformen Schriftsteller interessieren. Maik Grote hat für sein Buch eine akribische Recherche betrieben, die einen genauen Blick in diese Szene während der ersten beiden Jahre des Nationalsozialismus in Deutschland wirft. Jede Seite enthält eine Fülle von Informationen, ohne dass das Buch überfrachtet oder ermüdend wirken würde. Wer sich gründlich informieren möchte, ist mit diesem Titel gut beraten.
Der Autor hat bereits angekündigt, im Frühling 2017 ein weiteres Buch zu diesem Thema herauszubringen, das sich mit den Jahren 1936 bis 1939 beschäftigen wird.
Schreiben im Exil 1933-1935 ist bei BoD erschienen und kostet als Taschenbuch 9,95 Euro sowie als Kindle- oder epub-Edition 5,49 Euro.