Samstag, 25. April 2020

# 237 - Dunkelheit im Mittsommer

Im Mittsommer wird es in Schweden während der "Weißen Nächte" nie wirklich dunkel. Doch für Lelle Gustavsson ist vor drei Jahren ein Licht erloschen, als seine Tochter Lina spurlos verschwand, nachdem er sie an der Bushaltestelle abgesetzt hatte. In ihrem Debütroman Dunkelsommer widmet sich Stina Jackson sowohl der Verzweiflung eines Vaters als auch dem Umfeld, in dem sich die Hauptfiguren befinden.

Auf der Suche

Dies ist der dritte Mittsommer, in dem Lelle die hellen Nächte nutzt, um nach seiner Tochter zu suchen. Er lebt in Norrland, dem nördlichsten Teil Schwedens, in dem sich zahllose einsame bewohnte oder unbewohnte Häuser befinden und viele Wege irgendwo im Nichts enden. Lelles Ehe ist wegen Linas Verschwinden in die Brüche gegangen, jetzt lebt er das Leben eines einsamen Wolfes und verwahrlost zusehends. 

Dann kommt eine neue Schülerin an das Gymnasium, an dem Lelle als Lehrer arbeitet. Die 17-jährige Meja hat es im Schlepptau ihrer psychisch labilen Mutter Silje in die Gegend verschlagen. Auf der Suche nach einem geregelten Leben ist Silje mit ihrer Tochter bei Torbjörn, der in der Nachbarschaft auch unter dem Spitznamen "Porno-Björn" bekannt ist und in einem verfallenen Holzhaus mitten im Wald lebt, eingezogen. Meja ist eine Situation wie diese schon gewohnt: Sie kann nicht mehr zählen, wie oft ihre Mutter neue Beziehungen eingegangen ist, wegen denen sie immer wieder umgezogen sind. 

Meja lernt am See nahe Torbjörns Haus Carl-Johan Brandt kennen. Er ist der jüngste von drei Brüdern und lebt mit ihnen und seinen Eltern auf einer einsamen Farm. Sein Vater Birger hegt gegen den schwedischen Staat ein so großes Misstrauen, dass er seine Familie darauf einegschworen hat, sich auf die nächste Krise vorzubereiten und völlig autark zu leben. Meja und Carl-Johan verlieben sich ineinander und schon kurze Zeit später zieht das junge Mädchen bei den Brandts ein. Doch dann verschwindet erneut ein Mädchen, diesmal vom Campingplatz. Die Ähnlichkeit zwischen ihr und Lina ist verblüffend.

Wie war's?

Dunkelsommer folgt den Stereotypen, die man von schwedischen Krimis oder Thrillern bereits kennt: Hier ist es zwar nicht der Kommissar, der sich gehen lässt, Kette raucht und sich aufführt wie ein Prolet, sondern ein getriebener Vater, aber die Parallelen sind offensichtlich. Stina Jackson hat Lelles dauerhafte psychische Ausnahmesituation sehr gut beschrieben, zeichnet dann aber eine Handlung, in der viel Vorhersehbares passiert. Die einzelnen Personen wirken so, als hätte man sie auf ein Gleis gesetzt, auf dem sie sich unbeirrt vorwärts bewegen.

Jacksons Schreibstil ermöglicht ein schnelles Lesen. Das heißt allerdings auch, dass nichts passiert, das es Wert wäre, darüber nachzudenken. Man kann diesen Thriller leicht konsumieren, muss aber nicht überlegen, ihn ein zweites Mal zu lesen.

Das Buch hat unter seinem Originaltitel Silvervägen 2018 den Preis der 'Swedish Crime Writers' Academy' als bester schwedischer Kriminalroman gewonnen. Damit reiht er sich ein in eine Autorenliste, der auch Henning Mankell, Stieg Larsson, Håkan Nesser oder Åke Edwardson angehören. Damit dürfte der kommerzielle Erfolg gesichert sein.

Dunkelsommer ist 2019 in der deutschen Ausgabe bei Goldmann erschienen und kostet broschiert 15 Euro, als E-Book 12,99 Euro sowie als MP3-Hörbuch (3 CD) 12,45 Euro.

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