Mittwoch, 21. Oktober 2020

# 262 - Das Haus, das immer leerer wird

Mit Das Haus hat Olivia Monti einen Krimi veröffentlicht, der in seiner Grundstruktur an Agatha Christies Titel And Then There Were None erinnert, in dem nach und nach Menschen ermordet werden. Die Handlung wird von einer Bewohnerin eines Mietshauses, einer Parapsychologin, die gerade an einem Buch über das Gedächtnis von Orten und Gegenständen arbeitet, erzählt.

In dem Haus leben sehr unterschiedliche Personen, die sich zum Teil nur vom Sehen kennen und in der Mehrheit Singles sind. Man kommt nicht besser oder schlechter miteinander aus als in jedem anderen x-beliebigen Mehrparteienhaus. Das, was die Gemeinschaft lose zusammenhält, sind die monatlichen Zusammenkünfte auf der Dachterrasse von Leonardo Zimmermannn, der zu diesen Anlässen Champagner und Häppchen spendiert. Es kommen immer alle bis auf den syrischen Medizinstudenten, der erst vor Kurzem in die Wohnung gegenüber von Zimmermann eingezogen ist. Dessen Zurückhaltung stachelt die übrigen Bewohner zu wilden Spekulationen über seinen wahren Hintergrund an und die Spekulationen reichen von "Der lebt auf unsere Kosten" bis zu "Er wird bestimmt vom IS bezahlt".

Kurz nach seinem Einzug liegt der junge Mann tot vor der Haustür. Seine Verletzungen weisen auf einen Sturz aus großer Höhe hin. Ist er von seiner Dachterrasse gesprungen oder hat ihn jemand heruntergestoßen? Im Haus mischt sich die Erschütterung einiger Bewohner mit der Gleichgültigkeit der anderen. Wer jedoch glaubt, dass mit dem Abtransport der Leiche und dem Ausräumen der Wohnung durch die Eltern des Studenten wieder die gewohnte Ruhe einkehren würde, irrt: In kurzen Abständen werden weitere Nachbarn tot aufgefunden, die meisten von ihnen starben, nachdem jemand nachgeholfen hatte. Sogar ein kleiner Hund muss dran glauben. Die Hausbewohner diskutieren untereinander, wer von ihnen die Nachbarn auf dem Gewissen haben könnte: Jeder verdächtigt jeden, und bei genauem Hinsehen haben alle merkwürdige Eigenschaften oder Gewohnheiten, die vielleicht ein Hinweis auf das Böse sein können.

Dann wird Zimmermann in einen Unfall verwickelt, der tödlich hätte ausgehen können: Jemand hatte sich an den Bremsleitungen seines Autos zu schaffen gemacht. Muss er weiterhin um sein Leben fürchten? Und schließlich wird tatsächlich eine Nachbarin verhaftet, die im Haus bislang anderer Taten verdächtigt wurde, aber hinsichtlich der Mordfälle nicht unbedingt zu den Top-Favoriten gehörte. Doch letztlich führt ein Stromausfall zum Täter.

Lesen?

Olivia Monti hat in ihr Buch sehr gut Themen eingeflochten, die uns alle immer wieder beschäftigen: Vorurteile, Rassismus, Altersarmut und die Erkenntnis, dass man sich mehr umeinander kümmern sollte. Im Unterschied zu klassischen Krimis nimmt die Polizei jedoch nur eine Nebenrolle ein: Die Beamten kommen nur dann, wenn sie von den Bewohnern gerufen werden. Von ihrer eigentlichen Ermittlungsarbeit erfährt man nichts; die Ursachen, die zum Tod der Nachbarn geführt haben, werden nur auf Nachfrage mitgeteilt. Erst als die Lage eskaliert, zieht ein Polizist in eine der Wohnungen ein, um die Situation besser im Blick zu haben. 

Die Lösung des Falls ist überraschend, greift aber ein anderes gesellschaftliches Thema auf, das immer wieder diskutiert wird. Welches, sei an dieser Stelle nicht verraten. Was allerdings stört, sind die parapsychologischen Exkurse der Erzählfigur, die immer wieder eingestreut werden, jedoch nichts mit der Aufklärung der Todesfälle zu tun haben. Es hilft, ein persönliches Interesse daran zu haben; wer es nicht hat, kann diese Passagen einfach überspringen, ohne etwas von der Handlung zu verpassen.

Das Haus wurde 2020 über neobooks veröffentlicht und kostet als gebundene Ausgabe 19,99 Euro sowie als Taschenbuch 7,99 Euro.

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