Freitag, 23. April 2021

# 287 - Ernstfall Liebe? Kein Kitsch, sondern aus dem Leben erzählt

Auch wenn der Titel des Romans Die Liebe im Ernstfall das nahelegen könnte: Bei diesem Buch der Leipziger Schriftstellerin Daniela Krien handelt es sich nicht um einen klassischen Liebesroman mit den (gewohnt) kitschigen Einschlägen. Wenn es den Begriff 'Lebensroman' gäbe, würde er hier passen.

Krien schreibt über fünf Frauen, die etwa so alt sind wie sie selbst: geboren in den 1970-er Jahren in der DDR, nach der Wende mit völlig anderen Bedingungen konfrontiert und damit der Notwendigkeit, sich neu zurechtzufinden.
Jeder dieser Frauen ist ein eigenes Kapitel gewidmet, alle haben ihren Lebensmittelpunkt in Leipzig und trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben sie gemeinsam, dass ihre Lebensläufe Brüche aufweisen, die sie zu Richtungsänderungen zwingen.

Alle Fünf sind miteinander verbunden, sei es durch Verwandtschaft, Freundschaft oder aufgrund der Tatsache, dass die eine die Patientin der anderen ist. Gemeinsam ist den meisten von ihnen auch der Wunsch nach einer stabilen Partnerschaft. Dafür nehmen sie einige Dinge in Kauf, die nichts mit einer Beziehung auf Augenhöhe zu tun haben: Eine der Frauen widerspricht nicht, als ihr künftiger Ehemann beschließt, dass sie künftig in einem Loft wohnen würden. Erst mit ihrer Schwangerschaft willigt er widerstrebend in einen Umzug eine 'normale' Wohnung ein. Da werden Egoismen ertragen oder klein geredet, oft enden Streitigkeiten mit Versöhnungssex. Nur eine der Frauen, eine Ärztin, hat andere Prioritäten: Ihr wichtigstes Lebewesen ist ihr Pferd, Männer sind nur für flüchtige Beziehungen da, nachdem man sie sich auf einer Dating-Plattform ausgewählt hat.

Der Roman erzählt davon, wie sich Menschen näherkommen, zu Paaren werden und irgendwann einer von ihnen des anderen überdrüssig wird oder sich von ihm entfremdet. Fremd zu gehen ist dann der Weg der Männer, auf die Belastungen in der festen Beziehung zu reagieren. Aber Daniela Krien schreibt auch darüber, dass Menschen durch die Vergangenheit (Kindheit, Eltern etc.) ebenso wie die Gegenwart geformt werden und sich so viele ihrer Verhaltensweisen erklären lassen.

Beim Lesen drängt sich häufig die Vermutung auf, dass Krien viel aus ihrem eigenen Leben in ihren Roman hat einfließen lassen. Eine der Frauen verliert ihre acht Monate alte Tochter wenige Tage nach einer Impfung. Eine Obduktion ergibt, dass das Kind nicht als Folge der Impfung, sondern am plötzlichen Kindstod verstorben ist. Die Autorin hat selbst eine sehr ähnliche Erfahrung machen müssen: Eine ihrer Töchter erlitt einen Impfschaden und wird ihr Leben lang so schwer behindert sein, dass sie nicht ohne Betreuung auskommt. 

Alle fünf Frauen müssen eine Entscheidung treffen: Wie wichtig ist ihnen eine Familie? Stehen eigene Kinder der Selbstverwirklichung entgegen? Um jeden Entschluss wird gerungen, und es geht auch um die Frage, inwieweit der Verlauf eines Lebens Schicksal ist oder durch eigene Entscheidungen gelenkt wird.

Lesen?

Trotz aller Probleme, denen sich die Frauen stellen, ist der Roman nicht düster, sondern hat durch Kriens besonderen Schreibstil eine Leichtigkeit, die das Interesse an den Schicksalen der Frauen bis zum Schluss aufrecht erhält. Über allem steht der Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern sich dem Leben zu stellen. Das macht das Buch sehr lesenswert.

Die Liebe im Ernstfall ist 2019 im Diogenes Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 22 Euro, als Taschenbuch 13 Euro sowie als E-Book 10,99 Euro.

2 Kommentare:

  1. Es ist schon einige Zeit her, dass ich das Buch gelesen habe. Aber mir ist in Erinnerung geblieben, dass sich die Frauen zum Teil ihr Leben (und ihre Liebe) extrem schwer machen. Zum Teil fand ich das dann auch recht ärgerlich.
    LG
    Sabiene

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    1. Das stimmt, das tun sie. Aber ist das im Leben nicht oft so?
      LG
      Ina

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