Freitag, 28. August 2020

Blogtour zu "Der Raum, in dem alles geschah" - Die Rolle des Nationalen Sicherheitsberaters

Siebzehn Monate hat es gedauert, bis John Bolton das Handtuch warf und von seinem Amt als Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Trump zurücktrat. Er hat den Weg von seiner Ernennung bis zu seiner Aufgabe in seinem Buch Der Raum, in dem alles geschah zum Teil minutiös geschildert. Der Leser kann nachvollziehen, wie sehr und wie oft Bolton mit seinem Chef und seiner Position haderte. In Tinas Blog Tina liest vor findet ihr eine Rezension des Titels, ich werde in einer eigenen Rezension in Kürze meinen Eindruck schildern.

Aus europäischer Sicht ist die Position, die Bolton inne hatte, nur schwer nachzuvollziehen. Ein vergleichbares Amt, das mit dieser Aufgabenfülle ausgestattet ist, wie es von Bolton beschrieben wird, ist mir zumindest in Deutschland so nicht bekannt.
Bolton war so etwas wie ein Löwenbändiger, der Tag und Nacht damit beschäftigt war, den Präsidenten und seine Äußerungen wieder einzufangen. Er war im diplomatischen Sinn das Mädchen für alles, wobei ihm die Erfahrungen in anderen Ämtern während der Amtszeiten der Präsidenten Reagan und Bush (sen. und jun.) zugute kamen. Da stellt sich die Frage, wie genau das Aufgabenspektrum eines Sicherheistberaters definiert ist.


Was macht eigentlich ein Nationaler Sicherheitsberater?

Er ist der oberste Sicherheitsberater des US-Präsidenten, wird unmittelbar von diesem bestellt und untersteht ihm direkt. Die Zustimmung des Senats für seine Ernennung ist nur dann nötig, wenn es sich bei dem Kandidaten um einen Militärangehörigen handelt.

Der Sicherheitsberater gehört mehreren Sicherheits- und Militärräten an und nimmt an den Sitzungen des National Security Council (NSC) teil. Er organisiert außerdem die Auslandsreisen des Präsidenten, berät diesen in nationalen Sicherheitsfragen, informiert ihn über aktuelle Sachverhalte und schreibt für ihn Reden. Er sorgt auch dafür, dass die Pläne des Präsidenten durch die Exekutive (Kabinett, Behörden etc.) umgesetzt werden.

Der erste Nationale Sicherheitsberater war Robert Cutler, der 1953 unter Präsident Eisenhower tätig war. Schon bei ihm hat sich die Frage gestellt, inwieweit er sich wie ein dienstbarer Geist im Hintergrund halten oder aber die Öffentlichkeit suchen sollte. Dieser Punkt wird offenbar bei jedem neuen Nationalen Sicherheitsberater immer wieder austariert, genauso wie die Präsenz der einzelnen Sicherheitsbehörden.

Zu den wesentlichen Tätigkeitsmerkmalen des Nationalen Sicherheitsberaters gehört auch die Organisation von Entscheidungsprozessen, die üblicherweise zu Beginn der Amtsperiode eines Präsidenten stattfindet. Hier soll sich Cutler sehr positiv hervorgetan haben, während Bolton an seinem Chef fast verzweifelte. Das lag allerdings nicht nur an Trumps chaotischer und sprunghafter  Art und Weise, zu einer Entscheidung zu kommen und diese möglicherweise kurze Zeit später wieder zu revidieren; Bolton hatte das Amt als dritter Berater übernommen, wenn man die kommissarisch eingesetzten Personen nicht mitzählt, und war schon deshalb im Nachteil. Sein Nachfolger Robert O'Brian ist nun kurz davor, seinen ersten Jahrestag in dieser Position zu erreichen. Damit ist Trump auf einem guten Weg, den Rekordverschleiß an Nationalen Sicherheitsberatern zu knacken, den der republikanische Präsident Ronald Reagan in seiner Amtszeit von 1981 bis 1989 aufgestellt hat: Sechs Herren gaben sich damals die Klinke in die Hand. Dieser Job hat sich also oft genug als Schleudersitz erwiesen.


Bekannte Nationale Sicherheitsberater

Einzelne Personen haben sich so oft den Medien präsentiert, dass sich ihre Namen auch uns eingeprägt haben. Außer John Bolton war dies zum Beispiel Henry Kissinger (1969 bis 1975 unter Nixon und Ford): Seine politische Bilanz brachten ihm sowohl den Friedensnobelpreis als auch den Vorwurf ein, vor dem Hintergrund der Einmischung der USA in den kambodschanischen Bürgerkrieg ein Kriegsverbrecher zu sein.

Für politische Beben sorgten gleich zwei Nationale Sicherheitsberater, die für Präsident Reagan tätig waren: Robert Carl McFarlane und John Marlan Poindexter. Die sog. Iran-Contra-Affäre führte zu einem Selbstmordversuch McFarlanes, als herauskam, dass die Regierung dem Iran inoffiziell Waffen verkaufte und die Erlöse an die rechte Guerilla-Bewegung der Contras in Nicaragua weitergab, um diese in ihrem Kampf gegen die linke sandinistische Regierung zu unterstützen. Das war in mehrerer Hinsicht ein gravierender Rechtsbruch, an dem McFarlane und Poindexter maßgeblich beteiligt waren.

Ein weiterer bekannter Name ist der von Condoleezza Rice. Sie war während der ersten Amtszeit von Präsident Bush jun. (2001 bis 2005) dessen Nationale Sicherheitsberaterin und die erste Frau auf diesem Posten. Im Zusammenhang mit den beiden Anschlägen am 11. September 2001 wurde ihr einige Jahre nach ihrer Amtszeit vom ehemaligen CIA-Director George Tenet der Vorwurf gemacht, nicht auf seine Warnungen gehört zu haben. Die Bush-Regierung verfolgte auf Anraten von Rice damals den längerfristigen Plan, gegen Osama bin Laden vorzugehen, und Rice war Tenets Bauchgefühl (das er selbst als "unsicheres Voodoo" bezeichnete), dass da irgendetwas im Gange ist, zu wenig, um aktiv zu werden. Das sollte sich bekanntermaßen als Fehler herausstellen. Hier zeigt sich jedoch die große Schwierigkeit in dieser Position, wichtige von unwichtigen Nachrichten zu unterscheiden. Nicht jedes ungute Bauchgefühl sollte schließlich der Auslöser für militärische Aktionen sein.

Während Präsident Obamas zweiter Amtszeit von 2013 bis 2017 war Susan Elizabeth Rice Nationale Sicherheitsberaterin. Ihre Amtsführung war nicht unumstritten. Eine breit angelegte Abhöraktion des NSA, bei der die Telefonverbindungen französicher Diplomaten angezapft wurden, lobte sie 2013 ausrücklich: Die NSA-Aktion habe ihr im Zuge einer Abstimmung des UN-Sicherheitsrats über Sanktionen gegen Iran die Ansichten anderer Länder vermittelt, sodass die USA den Verhandlungen immer einen Schritt voraus gewesen seien.
Ihre Berufung verwundert, wenn man eine besondere Vorgeschichte kennt: Als außenpolitische Beraterin in Obamas Wahlkampf war sie bereits für die Position der Außenministerin gesetzt. Doch der Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi 2012, dem auch der US-Botschafter zum Opfer fiel, wurde von ihr zunächst heruntergespielt und als "spontaner Protest" bezeichnet. Als die Wahrheit bekannt wurde, konnte Rice ihre Ambitionen auf das Ministeramt beerdigen. Aufrichtigkeit und Transparenz gehörten offenbar nicht zu ihren Stärken.

Diese kurzen Schlaglichter auf einige Sicherheitsberater/innen zeigen, dass diese Tätigkeit von vielen Untiefen geprägt ist und oft den Charakter einer Gratwanderung hat: Bis wohin ist man bereit, geltendes Recht zu dehnen oder zu ignorieren, um die "nationalen Interessen" zu verfolgen? Ist dafür praktisch alles erlaubt?
Macht oder die Nähe zu ihr erfordern sicher immer wieder, sich einigen Versuchungen zu widersetzen. Einigen gelingt das - und anderen eben nicht.

Dieser Beitrag ist der fünfte und letzte der Blogtour anlässlich der Veröffentlichung von John Boltons Buch Der Raum, in dem alles geschah. Wer das Buch gelesen hat, weiß, dass allerdings nicht alles, worüber Bolton schreibt, im Oval Office geschehen ist: Weitere Schauplätze, an denen es zu Begebenheiten zwischen ihm und Trump kam, sind beispielsweise die Präsidentenmaschine 'Air Force One' oder eines der Luftfahrzeuge, die als 'Marine One' bezeichnet werden.

Das Buch könnt ihr übrigens hier gewinnen.

Die weiteren Beiträge zur Blogtour findet ihr hier, hier und hier.

Montag, 24. August 2020

Blogtour zu John Boltons "Der Raum, in dem alles geschah"

Heute beginnt die von der Agentur Literaturtest veranstaltete Blogtour zum Buch des ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton Der Raum, in dem alles geschah. Das Buch hat schon lange vor seinem Erscheinungsdatum am 14. August 2020 (in Deutschland) hohe Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil es einen tiefen Blick in die Amtsgeschäfte des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump verspricht. 

Außer meiner Bücherkiste sind noch vier weitere Buchblogs mit dabei, die sich sowohl dem Buch als auch dem Phänomen Trump von verschiedenen Seiten nähern. Dies ist der "Fahrplan":

24.8.: Buchvorstellung bei tinaliestvor.de
25.8.: Donald Trump - Versuch einer Charakterisierung bei lesenundmehr.wordpress.com
26.8.: Die Wahrnehmung Trumps durch Bolton bei franzi-liest.de
27.8.: Interessantes rund um das Amt des US-Präsidenten bei mounddiemachtderbuchstaben.de
28.8.:  Wer waren Boltons Vorgänger und wie hat sich das Amt unter Trump verändert? - Darüber schreibe ich hier.

Als Highlight läuft ab sofort ein Gewinnspiel: Bis zum 4. September 2020 wird hier eine gebundene Ausgabe von Der Raum, in dem alles geschah verlost. Beantwortet dafür bitte diese Frage:

Zum wievielten Mal ist Donald Trump verheiratet?

Alle richtigen Antworten, die bis zum genannten Enddatum an die E-Mail-Adresse degenaar1109@gmail.com geschickt werden, nehmen unter Beachtung der unten genannten Teilnahmebedingungen an der Verlosung teil. 
Die Blogtour wurde von der Agentur Literaturtest organisiert, der Gewinn wird vom Eulenspiegel-Verlag zur Verfügung gestellt.

Teilnahmebedingungen 


Teilnahme 

Die Voraussetzungen, um am Gewinnspiel teilzunehmen, sind:
  • ein Wohnsitz und eine gültige Postanschrift in Deutschland sowie
  • die Vollendung des 14. Lebensjahres oder die Teilnahme mit Zustimmung des/der gesetzlichen Vertreter(s). 
Die gesetzlichen Verlagsertreter und -mitarbeiter, Händler, Sponsoren und Vertriebspartner alle, die an der Durchführung des Gewinnspiels beteiligt sind, sowie deren Angehörige sind von der Teilnahme ausgeschlossen.
Mit der Teilnahme am Gewinnspiel erklären sich die Teilnehmer/innen auausdrücklich mit den Teilnahmebedingungen einverstanden. 
Mit der Gewinnspielteilnahme sind für die Teilnehmer/innen keineKosten verbunden, die Auslosung ist auch nicht mit dem Kauf einer Ware oder Dienstleistung verbunden. 

Für jede/n Teilnehmer/in ist die Teilnahme nur ein Mal möglich. Es ist nicht zulässig, mit mehreren E-Mail-Adressen am Gewinnspiel teilzunehmen oder hierfür einen Gewinspiel-Service oder ein automatisches Massenteilnahmeverfahren heranzuziehen. Das gilt ebenso für die Beauftragung von Agenturen oder sonstigen gewerblichen Anbietern.


Ermittlung der Gewinnerin oder des Gewinners

Der Buchgewinn wird unter allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen nach Ablauf des Gewinnspielzeitraums per Losverfahren nach dem Zufallsprinzip ermittelt. Die Gewinnerin oder der Gewinner wird unter der angegebenen E-Mail-Adresse benachrichtigt. Der Gewinn wird an die Postadresse geschickt, die mir innerhalb von drei Tagen nach dem Absenden der Gewinnbenachrichtigung mitgeteilt wurde, sofern in der Gewinnbenachrichtigung nichts anderes angegeben wurde. 
Sollte mir die vollständige Postadresse nicht innerhalb von drei Tagen nach Absenden der Gewinnbenachrichtigung vorliegen, dann kann der Gewinn leider nicht zugestellt werden. In diesem Fall verfällt der Gewinnanspruch und der Gewinn wird unter den übrigen Teilnehmern ausgelost. Dieses Verfahren gilt auch dann, wenn mir zwar eine Postadresse mitgeteilt wurde, der Gewinn jedoch nicht innerhalb von drei Tagen nach dem Absenden der Gewinnbenachrichtigung angenommen oder vom Versanddienstleister - z. B. wegen einer falschen oder unvollständiger Anschrift oder Nichtabholung - zurückgeschickt wird.

Der Gewinn ist weder austausch- noch übertragbar. Eine Barauszahlung ist ausgeschlossen. Sollte der Gewinn aus vom Verlag nicht zu vertretenden Gründen nicht zur Verfügung gestellt werden können, behalte ich mir vor, einen gleichwertigen Ersatz zu liefern. Der Versand des Gewinns erfolgt nur innerhalb Deutschlands. Mit der Aufgabe zum Transportdienstleister geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Gewinner oder die Gewinnerin über.


Datenschutz

Für die Teilnahme am Gewinnspiel ist die Angabe von persönlichen Daten notwendig. Der Teilnehmer versichert, dass die von ihm gemachten Angaben zur Person, insbesondere Vor-, Nachname und Emailadresse wahrheitsgemäß und richtig sind.
Der Veranstalter weist darauf hin, dass sämtliche personenbezogenen Daten des Teilnehmers ohne Einverständnis weder an Dritte weitergegeben noch diesen zur Nutzung überlassen werden.


Facebook Disclaimer

Diese Aktion steht in keiner Verbindung zu Facebook und wird in keiner Weise von Facebook gesponsert, unterstützt oder organisiert.


Anwendbares Recht

Fragen oder Beanstandungen im Zusammenhang mit dem Gewinnspiel sind an meine E-Mail-Adresse degenaar1109@gmail.com zu richten.
Das Gewinnspiel unterliegt ausschließlich dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


Salvatorische Klausel

Sollte eine Bestimmung dieser Teilnahmebedingungen ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird dadurch die Gültigkeit dieser Teilnahmebedingungen im Übrigen nicht berührt. Statt der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige gesetzlich zulässige Regelung, die dem in der unwirksamen Bestimmung zum Ausdruck gekommenen Sinn und Zweck wirtschaftlich am nächsten kommt. Entsprechendes gilt für den Fall des Vorliegens einer Regelungslücke in diesen Teilnahmebedingungen.

Viel Glück!

Nachtrag: Der Gewinner wurde ausgelost!

Das Buch hat ein Leser aus Nürmbrecht gewonnen, der bereits von mir benachrichtigt wurde. Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß mit dem Gewinn! Bei allen anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bedanke ich mich fürs Mitmachen. 

Freitag, 21. August 2020

# 254 - Wie Demokratien sterben - eine "Anleitung"

Die amerikanischen Politikwissenschaftler David Ziblatt und Steven Levitsky erklären in ihrem Buch Wie Demokratien sterben, welche gesellschaftlichen und politischen Prozesse letzten Endes dazu führen, dass aus einer Demokratie eine Autokratie wird. 

Grundsätzlich gibt es hierfür zwei Möglichkeiten: ein einzelnes Ereignis wie zum Beispiel einen Putsch oder einen schleichenden Prozess. Bei der ersten Variante ist die Veränderung für jeden sofort erkennbar, bei der zweiten kann sich die Transformation über mehrere Jahre erstrecken, sodass erst an ihrem Ende erkennbar wird, was sich da vor aller Augen abgespielt hat.

Levitsky und Ziblatt sind Harvard-Professoren und haben in ihrem 2018 veröffentlichten Buch den antidemokratischen Entwicklungen in den USA viel Raum gegeben. Sie haben sich jedoch nicht nur auf den amtierenden Präsidenten Donald Trump beschränkt, sondern sich auch in der amerikanischen Geschichte umgesehen. Fazit: Immer wieder haben US-Präsidenten versucht, ihre Macht auszuweiten und dabei zu Mitteln gegriffen, die den Einfluss der Pfeiler der Demokratie untergraben sollten. Levitsky und Ziblatt unterscheiden hierbei in die Möglichkeiten und Grenzen, die aus der Verfassung hervorgehen sowie das, was dort nicht steht, aber allgemeiner Konsens ist: die sogenannten "Leitplanken", die in der Regel von allen an der Politik beteiligten Akteuren eingehalten werden. So lange, bis versucht wird, diese zu ignorieren. Trump ist allerdings derjenige Präsident, der es in der Grenzüberschreitung zu einer traurigen Meisterschaft gebracht hat.

Die Autoren sehen sich jedoch auch die Schwierigkeiten an, die andere Staaten beim Erhalt ihrer Demokratien haben oder hatten. Ihr Blick geht nach Europa ebenso wie nach Südamerika oder Asien. Sie stellen fest, dass Militärputsche seit dem Ende des Kalten Krieges selten geworden sind und demokratische Zusammenbrüche mehrheitlich durch gewählte Regierungen stattgefunden haben. Die Schritte, die zu diesen Zusammenbrüchen geführt haben, beruhen auf äußerlich legalen Maßnahmen, die vom Parlament beschlossen oder von einem Gericht abgesegnet wurden. Auch die Begründung, man handele zum Wohl des Landes, weil man beispielsweise die Korruption bekämpfen wolle, muss immer wieder herhalten, wenn es darum geht, demokratische Prozesse und Möglichkeiten abzuwürgen.

Ziblatt und Levitsky erläutern, welche Parallelen es gegeben hat, wenn in bislang demokratischen Ländern politische Außenseiter an die Macht drängten: In vielen Fällen (z. B. Deutschland mit Hitler, Italien mit Mussolini oder Peru mit Fujimori) setzten die politischen Eliten dort darauf, dass sich die Außenseiter einhegen ließen, wenn sie an der Regierung beteiligt würden. Ein fataler Irrtum.  
Sehr ausführlich wird erläutert, anhand welcher Warnzeichen autoritäre Politiker zu erkennen sind und dass bereits die Erfüllung nur eines Kriteriums genügt, um sich Sorgen zu machen. Die Autoren bezeichnen diese Warnzeichen auch als Lackmustest:
Da werden die "Schiedsrichter" (z. B. Gerichte, Ethikkommissionen) bedrängt, die "Schlüsselspieler" (z. B. Medien oder politische Gegner) neutralisiert und neue "Spielregeln" aufgestellt - einschließlich der Bereitschaft, diese mit Gewalt durchzusetzen oder andere dazu zu ermutigen.

Lassen sich diese die Demokratie zerstörenden Mechanismen und Vorgänge aufhalten? Die beiden Wissenschaftler sind optimistisch: Sie sehen insbesondere in den USA die Parteien in der Pflicht, dem Präsidenten die mittlerweile verrutschten und ramponierten Leitplanken deutlich aufzuzeigen und sich untereinander nicht mehr als Feinde, sondern als politische Gegner zu sehen, die sich trotz aller Differenzen darum bemühen, einen parteiübergreifenden Konsens zu finden. Als Beispiele dafür, dass Länder ihre demokratischen Systeme schützen konnten, führen Ziblatt und Levitsky Belgien (1936) und Finnland (1929) an: In beiden Staaten waren es die politischen Eliten, die dafür sorgten, dass die Demokratie nicht von Faschisten zerstört wurde.


Lesen?

Auf jeden Fall! Während des Lesens bemerkt man, dass man sich an viele demokratieschädliche Vorgänge bereits gewöhnt hat. Die in diesem Buch geballte Darstellung all dessen, was zu einem Zusammenbruch eines demokratischen Systems führen kann oder geführt hat, macht die Dringlichkeit dieses Themas noch deutlicher.
Das Buch wurde mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis 2018 als bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichnet.

Wie Demokratien sterben ist bei der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 22 Euro, broschiert 14 Euro sowie als E-Book 12,99 Euro. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet das Buch in Heftform als Teil ihrer Schriftenreihe für 4,50 Euro zuzügl. Versandkosten an.

Freitag, 14. August 2020

# 253 - Wenn die Panik das Denken blockiert

Der bereits 2010 erschienene Roman Panik von Jason Starr spielt im New Yorker Viertel Forest Hills Gardens. Wer hier ein Eigenheim besitzt, kann von sich sagen, es wirtschaftlich geschafft zu haben.

Das trifft auch auf den niedergelassenen Psychologen Adam Bloom zu, der mit seiner Frau Dana und seiner Tochter Marissa, einer verwöhnten und ichbezogenen Zicke von Anfang 20, hier in einem von seinen Eltern geerbten Haus wohnt. Adams und Danas Ehe steht immer wieder auf der Kippe, Marissa hat noch keine Ahnung, was sie mit ihrem College-Abschluss anfangen soll. Die Stimmung in der Familie ist durchaus ausbaufähig.

Eines Nachts bemerkt Marissa, dass jemand im Haus herumschleicht. Adam - ganz der große Beschützer - kramt seine Pistole aus dem Schrank und schießt in Panik so lange auf die Silhouette eines Mannes, der gerade die Treppe heraufkommt, bis das Magazin leer ist. Eine zweite Person kann unerkannt entkommen. Der tote Einbrecher ist der einschlägig vorbestrafte Carlos Sanchez. Auffällig ist, dass die Täter ins Haus gelangen konnten, ohne Gewalt anwenden zu müssen: Es gibt an den beiden Außentüren keine Einbruchspuren und die Alarmanlage ist nicht scharf gestellt worden. Ist es möglich, dass ihnen jemand den Code verraten hat? Und wer käme dafür infrage?

Adam, der auf die positive Bestätigung seiner Mitmenschen angewiesen ist, ist sich sicher, mit dem Erschießen von Sanchez das Richtige getan zu haben. Dass weder seine Frau und seine Tochter noch die Presse und das Fernsehen diese Einschätzung vorbehaltlos teilen, nagt an seinem Ego. In den Medien wird er vereinzelt sogar als schießwütiger Revolverheld bezeichnet, was ihn beruflich und sozial in Schwierigkeiten bringt.

Plötzlich gerät die langjährige Haushaltshilfe Gabriela in den Fokus der Ermittlungen: Sie wird von einem Unbekannten in ihrer Wohnung erschossen und die Blooms erfahren Dinge über sie, die auf ein Doppelleben schließen lassen. War sie es, die mit Sanchez den Einbruch verübt hat?

Doch der Leser weiß mehr als die Familie Bloom und die New Yorker Polizei. Sanchez hat die Tat gemeinsam mit seinem Kumpel Johnny Long verübt. Die beiden kennen sich aus der gemeinsamen Zeit im Kinderheim, wo Sanchez Long immer wieder vor den anderen Jungs beschützt hat. Long ist ein Narzisst mit einem überbordenden Ego, der sich zu den ewig Benachteiligten zählt. Er hält sich mit dem Ausrauben von Frauen über Wasser, die er dank seines guten Aussehens vorher in einer Bar oder einem Club abgeschleppt hat. 

Durch die Medien weiß Long, dass die Blooms eine Tochter haben. In ihm reift ein Plan, wie er gleichzeitig den Tod seines Kumpels rächen und an das große Geld kommen kann. Skrupel sind ihm selbstverständlich fremd. Auf perfide Weise und mithilfe des Internets geht er Schritt für Schritt vor, um von der Familie ins Herz geschlossen zu werden - besonders von Marissa. Doch es gibt da ein vierbeiniges Problem, das Long nicht einkalkuliert hat.

Lesen?

Panik ist ein Buch, das nach dem Einstieg, der seinen Höhepunkt in Sanchez' Tod findet, zunächst einen Gang zurück schaltet, um dann wieder Fahrt aufzunehmen. Das Finale ist nicht vorhersehbar, sodass die Spannung bis zum Schluss erhalten bleibt. Befremdlich ist hingegen Marissas emotionale Kälte insbesondere am Ende; hier fehlt es etwas an der Glaubwürdigkeit. Das ist aber kein Grund, das Buch nicht zu empfehlen.

Panik ist im Diogenes Verlag erschienen und als Taschenbuch für 11,90 Euro sowie als E-Book für 9,99 Euro erhältlich.

Freitag, 7. August 2020

# 252 - Kann aus dem Unglück eine Zukunft werden?

Der 2018 erschienene Roman Lied der Weite des amerikanischen Schriftstellers Kent Haruf ist in der fiktiven Kleinstadt Holt im Bundesstaat Colorado angesiedelt. In ihm ballt sich alles, was das Leben in dieser ländlichen Gegend mit seinen Menschen und Problemen ausmacht: Liebe und Hass, Gleichgültigkeit und Gewalt. Aber wenn der Tiefpunkt im Leben einer der Hauptfiguren erreicht zu sein scheint, keimt immer wieder neue Hoffnung auf.

So ist es auch bei der 17-jährigen Victoria Roubideaux. Sie ist schwanger von einem jungen Mann, den sie kaum kennt, woraufhin sie von ihrer emotional verarmten Mutter kurzerhand von zu Hause ausgesperrt wird. Victoria bittet ihre Lehrerin Maggie Jones um Hilfe, die die junge Frau bei sich aufnimmt. Doch Maggies schwer dementer Vater, der ebenfalls im Haus lebt, fühlt sich von Victorias Anwesenheit bedroht. Da hat Maggie die Idee, die Schwangere bei den Brüdern McPheron unterzubringen: Die beiden älteren Farmer leben mehrere Meilen außerhalb von Holt, hatten in ihren Leben noch nie eine Frau auf dem Hof und sind bislang vollauf mit sich und ihren Tieren beschäftigt gewesen. Ihr Benehmen ist etwas ungehobelt, sie sind jedoch im Grunde gutmütig.

Maggies Bitte löst bei ihnen nur ein kurzes Nachdenken aus, doch dann sind sie bereit, Victoria bei sich aufzunehmen. Die drei so unterschiedlichen Menschen haben zunächst etwas Mühe, sich aneinander zu gewöhnen, doch die Brüder beschützen Victoria vor allem, was sie für die junge Frau für schädlich halten und unterstützen sie so gut sie können. Victoria und die McPherons werden nach und nach zu einer Familie.
Maggie wird im Verlauf der Handlung immer wieder als gute Seele des Buches auftreten und die Dinge in die richtige Richtung lenken.

Parallel dazu wird die Geschichte des Lehrers Tom Guthrie erzählt. Der Vater von zwei neun- bzw. zehnjährigen Jungen ist mit der schwer depressiven Ella verheiratet, die die Tage in ihrem verdunkelten Zimmer verbringt und insbesondere von den beiden Söhnen nur noch wie ein Geist wahrgenommen wird. Ella verlässt ihre Familie und zieht zu ihrer Schwester, Tom muss den Alltag als alleinerziehender berufstätiger Vater organisieren. Das klappt nicht immer. Ihn belasten außerdem die Drohungen der Eltern eines renitenten Schülers, die die Vorwürfe gegen ihren gewalttätigen Sohn für erfunden halten. Dieser wiederum lässt seine Wut gegen Tom an dessen Söhnen Ike und Bobby aus. Die beiden leiden zusätzlich unter dem Fehlen ihrer Mutter und werden unmittelbar mit dem Tod konfrontiert, was sie überfordert: Sie finden eine alte Frau, der sie auf ihrer täglichen Zustellrunde die Tageszeitung bringen und die ihnen ihren Wohnungsschlüssel überlassen hat, leblos in ihrem Sessel.

Lesen?

Auf jeden Fall. Lied der Weite überzeugt durch seine schnörkellose und empathische Sprache, die dem Leser das Leben der Menschen und die Atmosphäre in Holt mit leisen Tönen nahebringt. Es ist ein Buch, das man nicht aus der Hand legen möchte.

Lied der Weite ist im Diogenes Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 24 Euro, als Taschenbuch 13 Euro sowie als E-Book 10,99 Euro.