Freitag, 26. April 2019

# 194 - Dem Krieg entkommen?

Der Schriftsteller Arno Geiger ist bereits mit Es geht uns gut auf diesem Blog vertreten und hat 2005 für den Roman den ersten Deutschen Buchpreis bekommen. Mit seinem für den Deutschen Buchpreis 2018 nominierten Roman Unter der Drachenwand begibt er sich in die letzte Phase des Zweiten Weltkriegs.

Endsieg oder Untergang?

 

Im Mittelpunkt des Romans steht der fast 24-jährige Soldat Veit Kolbe. Er wird direkt nach dem Abitur zum Kriegsdienst eingezogen, in Russland mittelschwer verwundet und zur Erholung nach Hause nach Wien geschickt. Fünf Jahre sind seit seiner Abreise vergangen. Er lehnt aufgrund seiner Erfahrungen den Krieg strikt ab, was ihn in Konflikt mit seinen Eltern bringt. Die Jahre als Soldat betrachtet er als vergeudete Zeit. Um der angespannten Atmosphäre zu Hause zu entgehen, flüchtet er sich Anfang 1944 in den Wohnort seines Onkels, nach Mondsee. Er kommt bei einer zänkischen Vermieterin in einem Dachzimmer unter, direkt nebenan wohnt die junge Darmstädterin Margot mit ihrem Säugling, die sich hier in Sicherheit gebracht hat. 

Es herrscht an fast allem Mangel, aber Veit kann sich hier erholen. Er versucht erfolglos, mit der Lehrerin Margarete Bildstein, die eine Wiener Mädchengruppe in die Kinderlandverschickung ins Lager Schwarzindien begleitet, anzubandeln und verliebt sich schließlich in die mit einem Soldaten verheiratete Margot.
Je länger der Krieg dauert, desto ungeduldiger wird Veit. Für ihn ist klar, dass der Krieg bereits verloren und dessen Ende eine Frage der Zeit ist. Es laut auszusprechen, ist aber nicht zu empfehlen. Veit hofft, dass er nicht erneut an die Front muss und ist kreativ darin, seinen Aufenthalt in Mondsee auszudehnen. Doch seine Anwesenheit in dem kleinen Ort, der fern ist von allen Bomben und Gräueln, erfährt einen dramatischen Höhepunkt, bei dem der junge Mann zum Mörder wird.

Was es in dieser Zeit heißt, nicht den Mund zu halten, erlebt Veit bei seinem Nachbarn, der nur "der Brasilianer" genannt wird. Es ist zwar nur von "H." und "dem F." die Rede, aber der Bruder der grantigen Zimmerwirtin macht keinen Hehl daraus, dass er von den Nazis nichts hält; ganz im Gegensatz zu seiner Schwester und seinem Schwager. Seine offenen Worte haben schon bald Konsequenzen.
Immer wieder kommt auch der aus Wien stammende Jude Oskar Meyer zu Wort, der versucht, seine Familie zu retten und doch zu oft falsche Entscheidungen trifft. Ihn hat es genauso wie Veit Kolbe, Margot, Margarete Bildstein und einige andere Personen im Buch gegeben. In den Nachbemerkungen zeichnet Arno Geiger ihre Lebensläufe nach, soweit das nach so langer Zeit noch möglich war.

Lesen?


Den Anstoß für Unter der Drachenwand gab der Zufallsfund einer umfangreichen Korrespondenz von Kindern, Eltern und Behörden, in der es um die Kinderlandverschickung ins Lager Schwarzindien ging. Das historische Material wurde von Geiger zu einem authentischen Roman verwoben, der mit seiner klaren Sprache überzeugt. Lesen? Ja!

Der Roman kostet gebunden 26 Euro, als E-Book 19,99 Euro und in der Taschenbuchausgabe 12,90 Euro.
 

Samstag, 20. April 2019

# 193 - Medizinskandale in Deutschland

Da ich selbst in meinem Leben viel Kontakt zu Ärzten hatte und eine geraume Zeit in Krankenhäusern verbracht habe, hat mich dieses Buch interessiert. Geschädigt statt geheilt: Große deutsche Medizin- und Pharmaskandale von Eckart Roloff und Karin Henke-Wendt dokumentiert eine ganze Reihe von Skandalen aus der BRD und der DDR, deren umfassende Aufbereitung und Darstellung vor allem der ausdauernden Recherche der Autoren zu verdanken ist. Sie schreiben über fast vergessene medizinische Dramen wie das Lübecker Impfunglück von 1930, dem etwa 70 Säuglinge zum Opfer fielen, und bekannte Skandale, die monate- oder sogar jahrelang die Medien beschäftigt haben. Der Fall von Gustl Mollath, der zu Unrecht über sieben Jahre in der Psychiatrie festgehalten wurde, erschüttert ebenso wie der unfassbare Umgang der Kliniken, in denen der mordende Krankenpfleger Niels Högel sein tödliches Unwesen trieb. 

16 Skandale werden von den Autoren sehr genau geschildert. Immer wieder kommt zwischen den Zeilen ihre Fassungslosigkeit angesichts der langen Dauer, in denen beispielsweise verunreinigte Impfdosen gegeben wurden (Anti-D-Impfungen in der DDR) oder die Schädlichkeit eines Medikaments vom Hersteller ausdauernd geleugnet wurde (Contergan-Skandal), zum Ausdruck. Auch die langen Prozesse mit einem insbesondere für die geschädigten Patienten unsicheren Ausgang werden von ihnen kritisiert.
Mich hat das Kapitel über den OP-Roboter Robodoc besonders interessiert, der ab Mitte der 1990-er Jahre in erster Linie bei Hüftprothesen-OPs eingesetzt wurde. Damals hat man auch mir den Vorschlag gemacht, mich solch einem Robodoc-Eingriff zu unterziehen, was ich, nachdem ich eine Menge darüber gelesen hatte, dankend abgelehnt habe. Wie ich nicht erst seit der Lektüre dieses Buches weiß, war das eine gute Entscheidung.

Lesen?

Roloff und Henke-Wendt schreiben über die Pharma- und Medizinskandale so, dass es auch für Laien verständlich ist. Das Buch kann keine vollständige Aufzählung aller Skandale dieser Branche sein; ohne mich früher näher damit beschäftigt zu haben, fallen mir noch weitere Vorkommnisse ein, die durchaus das Zeug zu einem Skandal gehabt hätten. 
Auch wenn man am Ende des Buches angesichts der zum Teil ungeheuerlichen Vorgänge ein mulmiges Gefühl haben könnte, sollte das nicht dazu führen, dass man grundsätzlich das Vertrauen in die Medizin verliert: Wie überall gibt es großartige Vertreter ihres Berufsstandes und solche, die man am liebsten in ein Kämmerlein schließen und den Schlüssel wegwerfen möchte, damit diese Leute kein weiteres Unheil anrichten können. Wer damit umgehen kann, für den ist Geschädigt statt geheilt eine sehr interessante Lektüre, die Patienten auch dazu anregen kann, sich umfassend zu informieren, bevor sie einer Behandlung zustimmen, und alles zu hinterfragen, was ihnen unklar geblieben ist. Das ist heute viel einfacher als vor zwanzig oder dreißig Jahren, als es noch kein Internet gab.

Geschädigt statt geheilt ist 2018 im S. Hirzel Verlag erschienen und kostet als Taschenbuchausgabe 22 Euro.

Freitag, 12. April 2019

# 192 - Lange Gespräche mit Gott

Axel Hacke ist den Lesern der Süddeutschen Zeitung
als Kolumnist bekannt. Wer seine Bücher gelesen hat, weiß, dass seine Geschichten von absurden Begebenheiten nur so wimmeln. Da macht Die Tage, die ich mit Gott verbrachte keine Ausnahme.

Gott hat Selbstzweifel

 

Hackes Erzähler ist verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern. Wenn er tagsüber in seinem Büro ist, hat er Gesellschaft von seinem Büroelefanten. Das handliche Tier war früher in seinem Kopf, wo es ihn vom Arbeiten abgehalten hat. Deshalb hat er ihn kurzerhand dort herausgeholt. Seitdem folgt ihm der Büroelefant beinahe auf Schritt und Tritt, unsichtbar für alle anderen.

Eines Tages sitzt der Erzähler auf einer Bank vor einem Wohnhaus, als sich ein älterer Herr neben ihm Platz nimmt. Aus einem offenen Fenster über ihnen ist ein Streit zu hören. In einer plötzlichen Bewegung schubst der Alte den Erzähler von der Bank, auf die nur einen Augenblick später ein großer Globus prallt, der aus dem geöffneten Fenster geworfen worden ist. Ohne den Einsatz des Seniors hätte der Erzähler von der schweren Kugel erschlagen werden können. Mit diesem Ereignis beginnt der Kontakt zwischen den beiden Männern.
Der alte Herr gibt schon bald zu, dass er derjenige ist, der hier auf der Erde als "Gott" bezeichnet wird. Aber der Erzähler erkennt bald, dass seine Vorstellung von Gott, dem Allmächtigen, ein paar Schönheitsfehler hat. Zunächst zeigt der Alte mit ein paar unterhaltsamen Tricks, was er so drauf hat, aber wenig später geht es ans Eingemachte. Er bringt seinen Gesprächspartner dazu, über sich, sein Leben und sein Verhältnis zu seinem verstorbenen Vater nachzudenken. Dabei bleibt es aber nicht: Gott ist mit sich selbst alles andere als im Reinen, er hadert mit der Entwicklung seiner Schöpfung. Irgendwie ist alles so anders gekommen, als er es sich einmal vorgestellt hatte. Und das, obwohl die Welt, wie wir sie kennen, nicht seine erste war!
Gott ist auch mit dem Verhalten der Menschen ihm gegenüber unzufrieden. Reden sie, wenn sie beten, wirklich zu ihm oder nicht doch eher mit sich selbst? Haben sie an ihm wirklich Interesse?
Auch mit dem Selbstbild, das die Menschen von sich haben, ist er nicht zufrieden. Sie sind schließlich nur ein Nebenprodukt seiner Schöpfung und nehmen sich jetzt viel zu wichtig. "Eines Tages werdet ihr weg sein, aber die Welt wird es immer noch geben", stößt Gott prophetisch aus. 

Lesen?


Das ist nicht die einzige philosophische Betrachtung, die Hacke Gott sagen lässt. Es wird auch um die Notwendigkeit des (augenscheinlich) Bösen gehen, die Gleichgültigkeit, die Überwindung der Angst und den Wert der Freiheit. Jede dieser Überlegungen kommt federleicht daher und ist von Hackes typischem Humor durchzogen. Die Tage, die ich mit Gott verbrachte ist ein im Kern heiteres Buch, das man nach dem Lesen lächelnd, aber auch nachdenklich zuklappt.


Die Tage, die ich mit Gott verbrachte wurde mit sehr schönen Zeichnungen von Michael Sowa illustriert. Das Buch ist im Verlag Antje Kunstmann erschienen und kostet in der gebundenen Ausführung 18 Euro, als Audio-CD 6,46 Euro und als epub- oder Kindle-Edition 14,99 Euro.

Samstag, 6. April 2019

# 191 - China im Strudel der Gewalt

China und seine Geschichte sind aus unserer Perspektive von einem Hauch
des Geheimnisvollen umweht. Wer sich nicht intensiv mit der Vergangenheit des riesigen Reichs beschäftigt hat, hat meist nur eine ungefähre Vorstellung davon, was sich dort vor 150 oder 200 Jahren ereignet hat.
Ganz anders ist das mit Stephan Thome. Er hat u. a. Sinologie studiert und mit einer Dissertation promoviert, in der das konfuzianische Denken eine zentrale Rolle spielte. Thome lebt seit etlichen Jahren in Taipeh. Mit seinem vierten Buch Gott der Barbaren widmet er sich in Romanform dem China des 19. Jahrhunderts. Der Roman schaffte es 2018 bis in die Shortlist des Deutschen Buchpreises.

China auf dem absteigenden Ast?

 

Gott der Barbaren ist der Versuch, eine ereignisreiche Zeit, die vom Niedergang der Qing-Dynastie, ihrer Konfrontation mit der religiös-politischen Taiping-Bewegung und den beiden Opiumkriegen Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt war, in Romanform zu schildern. Das Buch wird von den Erlebnissen des fiktiven Charakters Philipp Johann Neukamp, einem Zimmermannssohn aus dem Märkischen, der Tagebuch schreibt und dem Leser seine Erlebnisse berichtet, durchzogen.

Neukamp hat eigentlich vor, nach Amerika auszuwandern. Zufällig trifft er auf den Missionar Karl Gützloff, der ihn dazu bringt, den christlichen Glauben in China zu verbreiten. Gützloff hat es gegeben; er betrieb in China eine Missionsschule, in der Chinesen zum christlichen Glauben bekehrt werden und diesen dann verbreiten sollten.
Neukamp ist jedoch nur mäßig erfolgreich. Im Verlauf der Handlung irrt er durch das Land und wirkt eher wie ein Spielball der Ereignisse, aber nicht wie jemand, der sein Leben aktiv in die Hand nimmt. Er lernt den Mystiker Hong Xiuquan kennen, der sich für Jesus' jüngeren Bruder hält und später den Taiping-Aufstand anführen wird. Dieser Bürgerkrieg gehörte mit seinen 30 Millionen Toten zu den blutigsten Kriegen der Menschheitsgeschichte. Neukamp erliegt zunächst dem charismatischen Sektenführer und wird für eine Weile in den Aufstand mit hineingezogen. Hong war durch Visionen und eine Bibel, die er von einem amerikanischen protestantischen Pfarrer bekommen hat, zum Christentum gekommen. Neukamp wird ihm im Verlauf des Buches immer wieder begegnen.

Eine weitere wichtige Figur, die das Geschehen aus britischer Perspektive beurteilt, ist Lord Elgin. Auch ihn hat es gegeben, er war u. a. Sonderkommissar für China. Als die Qing-Regierung sich nach dem Ende der ersten Phase des Zweiten Opiumkrieges weigerte, die mit den Briten vereinbarten Bedingungen einzuhalten und die britischen Verhandlungspartner folterte, ordnete Lord Elgin einen Rachefeldzug an, der in der Zerstörung des Alten Sommerpalastes in Peking mündete. Die Anlage gilt als ein architektonisches Meisterwerk, sodass Lord Elgin bis heute in China für diese Tat als Barbar gilt. Er wird im Roman als Mensch beschrieben, der dem chinesischen Volk mit großem Unverständnis und reichlich Ignoranz und Arroganz begegnet. Warum sollte man mit Männern verhandeln, die wie Frauen in Kleidern herumlaufen? Gleichzeitig fühlte er sich jedoch von vielem, was er im Grunde ablehnte, auf seltsame Weise angezogen. Ein Beispiel für diese ambivalente Haltung ist der "goldene Lotus": Der Begriff beschrieb die gebundenen Füße der chinesischen Frauen, die damals üblich waren. Der Sonderbotschafter verachtete einerseits diese Verstümmelung, die die Frauen daran hinderte, normal zu gehen, konnte aber andererseits seinen Blick nicht von ihnen abwenden.

Und dann ist da noch eine Person, die im China dieser Zeit eine wichtige Rolle gespielt hat: General Zeng Guofan. Er war der Anführer der Hunan-Armee, die aus Freiwilligen bestand und den kaiserlichen Truppen zu Hilfe geeilt ist, als diese sich als zu schwach erwiesen, um den Taiping-Rebellen noch etwas entgegenzusetzen. Zeng gehörte zu den gebildetsten Menschen des Landes, wurde jedoch wegen seiner Erfolge und seines Status' von manchen als Gefahr angesehen. Der General wird von Thome als ambivalente Persönlichkeit beschrieben: Er legte zwar Wert auf Kultur und Menschlichkeit, nahm aber 1864 den Tod von 100.000 Menschen in Kauf, als die von den Taiping-Rebellen eroberte Stadt Tianjing (heute: Nanjing) von seiner Hunan-Armee zurückerobert wurde.

Lesen?


Thome transportiert in seinem Roman das gegenseitige Unverständnis der aufeinandertreffenden Kulturen und erklärt, wie eine irritierend falsch ausgelegte und übersetzte Bibel gepaart mit dem - nicht nur in China betriebenen - missionarischen Eifer der Europäer es vermochte, eine fatale Entwicklung ins Rollen zu bringen, an deren Ende zahllose Tote und ein zerrüttetes Land standen. Für Leser, die sich (wie ich) mit dieser Epoche der chinesischen Geschichte jedoch bislang nicht beschäftigt haben, wird es schwer, den Überblick zu behalten. Thome hat sein Buch um ein Personenregister ergänzt, das insbesondere bei den einander sehr ähnelnden chinesischen Namen sehr hilfreich ist. Der Gott der Barbaren ist mit einer Menge Details angefüllt, zugunsten der Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Handlung wäre aber oft weniger mehr gewesen. Trotz dieser Einschränkung ist es für alle, die sich für die chinesische Geschichte interessieren und bereit sind, sich ein bisschen durch die mehr als 700 Seiten durchzubeißen, ein lesenswertes Buch.

Die damaligen Ereignisse werfen ihre Schatten bis in die heutige Zeit. Sie werden in chinesischen Schulen, Museen etc. als die 100 Jahre der nationalen Demütigung bezeichnet, die von der Kommunistischen Partei beendet wurden. In diesem Kontext steht auch die Niederschlagung des Volksaufstands auf dem Pekinger Tian’anmen-Platz mit 2.600 Toten und 7.000 Verletzten im Jahr 1989: Die Demonstrationen wurden als unpatriotisches Verhalten und als Folge einer schlechten Erziehung betrachtet. 
Weitere Hinweise auf die Hintergründe des Romans gibt ein Interview, das der Deutschlandfunk mit Stephan Thome geführt hat.

Gott der Barbaren ist im Suhrkamp Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 25 Euro, als Kindle- oder epub-Ausgabe 21,99 Euro sowie als Taschenbuch 14 Euro.

 

Dienstag, 2. April 2019

Welt-Kinderbuchtag - ein Blick zurück

Seit 1967 wird an jedem 2. April der Internationale Kinderbuchtag begangen. Dieser Blog ist nicht gerade als erste Adresse bekannt, wenn es um Empfehlungen für Kinderbücher ging, aber ich habe mich erinnert, was mich begeistert hat, als ich selbst noch ein Kind war, und welche Bücher ich mit meinen Kindern angesehen oder ihnen vorgelesen habe.

Damals: Bücher in den 1960-er und 1970-er Jahren

 


Ich konnte schon sehr früh lesen. Nicht weil meine Eltern all ihren Ehrgeiz dort hineingelegt hätten oder ich die intellektuelle Überfliegerin gewesen wäre, sondern weil es Phasen in meinem Leben gab, die lesend am besten zu überstehen waren. Woran ich mich sehr gern erinnere, sind die Bücher, in denen der Igel Mecki die Hauptrolle spielte. Mit dem Pinguin Charly, dem Schrat und den sieben Goldhamstern,

die immer wieder gerettet werden mussten, hat er praktisch die ganze Welt bereist. Sprachlich waren die Bücher so, wie es damals üblich war: Am Titel des Buches "Mecki bei den Negerlein" stieß sich früher niemand. Das kam erst später. Ich glaube, ich habe heute noch ungefähr zehn Mecki-Bände. Jeden Band habe ich mehrmals gelesen.

Ganz klare Favoriten waren auch die Bücher von Astrid Lindgren. Nur Karlsson vom Dach war mir unsympathisch, aber Pippi als Kontrast zu den eigentlich kreuzbraven Geschwistern Annika und Tommy war super.

Später zählten Krabat von Otfried Preußler und Die unendliche Geschichte von Michael Ende zu meinen Lieblingsbüchern. Und ich bekenne, auch wenn jetzt manche vor Entsetzen vom Stuhl fallen sollten: Ich war ein echter Fan von Hanni & Nanni. In meinem Mädchen-Bücherregal standen alle Bände! Irgendwann habe ich die Serie allerdings auf dem Flohmarkt verhökert. Meine Begeisterung hat damals nur in einer bestimmten Zeit gehalten. Die anderen Bücher habe ich immer noch und habe auch nicht vor, mich von ihnen zu trennen.

Kinderbücher in den 1990-er Jahren und Anfang der 2000-er Jahre

 


Was damals für kleine Kinder vor dem eigentlichen Vorlesealter total angesagt war, waren die Wimmelbücher von Ali Mitgutsch. Szenen, die ein Kind auch aus dem eigenen Alltag kennt, waren da zeichnerisch umgesetzt und jedes einzelne Bild mit zahllosen Personen und Details angefüllt. Meine Kinder fanden das sehr spannend, ganz nebenbei war das gemeinsame Angucken eine gute Konzentrationsübung.  



In den 1990-ern hat Markus Osterwalder einen großen Erfolg mit Büchern der Figur Bobo Siebenschläfer gehabt. Ob dieser Erfolg angehalten hat, weiß ich nicht. Alle Kinder um uns herum und auch meine eigenen waren als Dreijährige hin und weg von diesem gezeichneten Tier. Ich war für jeden Tag dankbar, an dem die beiden nicht daraus vorgelesen haben wollten. Kurz: Ich habe das Vieh gehasst. Wo die drei Bobo-Bücher abgeblieben sind, weiß ich nicht. Mögen sie mir nie wieder über den Weg laufen.


Richtig, richtig toll waren die Bücher von Sven Nordqvist mit dem alten, grantelnden Pettersson und seinem cleveren Kater Findus. In der schwedischen Einöde gehen sich die beiden zwar hin und wieder auf die Nerven, aber letztendlich sind sie einander die besten Freunde. Unvergessen das Buch Morgen, Findus, wird's was geben, in dem sich Pettersson den Fuß verstaucht und keinen Weihnachtsbaum schlagen kann. Doch da wird flugs einer selbst gebastelt. In unserem Regal standen mehrere Bücher dieser Reihe, und ich könnte jetzt nicht sagen, welches das beste von ihnen ist.


Sehr amüsant und auf eine besondere Weise liebevoll war die Buchreihe rund um Mama Muh. Unverkennbar war wieder Sven Nordqvist am Werk, hier gibt es aber nur tierische Hauptfiguren. Mama Muh mag sich nicht mit dem ihr zugedachten Leben als Milchlieferantin abfinden und kommt auf immer neue Ideen, die sie tatkräftig und unerschrocken umsetzt. Selbstverständlich kann eine Kuh zum Beispiel ein Baumhaus bauen oder wie die Kinder, die sie den ganzen Tag beobachtet hat, rutschen. Ihr Freund Krähe beäugt sie zu Anfang immer skeptisch, ist dann aber immer zur Stelle, wenn Mama Muh Unterstützung braucht. 

Harry Potter löste hier nur gedämpfte Begeisterung aus. Ich habe meinen Kindern die ersten drei Teile vorgelesen, dann hatten sie genug vom Zauberschüler. 

Mein Sohn wurde dann ein großer Fan von Die Chroniken von Narnia von Clive S. Lewis. Als ich ihm alle sieben Bände vorgelesen und den allerletzten Satz beendet hatte, sagte er: "Noch mal!" Ein besseres Kompliment kann ein Kinderbuch doch nicht bekommen, oder? 

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit!