Freitag, 30. April 2021

# 288 - Eine neue Insel entsteht: Was kann man nicht alles daraus machen...

Armin Strohmeyr hat sich in seinem neuesten Buch Ferdinandea - Die Insel der verlorenen Träume einem Ereignis gewidmet, das im Juli 1831 stattgefunden hat: der "Geburt" einer neuen Insel.

Die Vulkaninsel erhob sich damals mit viel Dampf, Brodeln und reichlich Schwefelgestank vor der sizilianischen Ortschaft Sciacca aus dem Meer und wurde praktisch sofort zur Projektionsfläche unterschiedlichster Wünsche und Begehrlichkeiten.

Für den örtlichen Pastor hatte hier der Teufel seine Hände im Spiel, der deutsche Geologe Friedrich Hoffmann sah in dem neuen Eiland ein großartiges Forschungsobjekt. Er war es auch, der die Insel nach dem sizilianischen König Ferdinand II. benannte: Ferdinandea. Er war zufällig mit seinem französischen Kollegen Constant Prévost vor Ort und beide verfolgten das seltene Schauspiel 50 Kilometer vor Sizilien.

Aber sollten sie gehofft haben, ihre Forschungen in Ruhe durchführen zu können, wurden sie schon bald enttäuscht. Ein britischer Kapitän legte an und machte mit dem Aufpflanzen des Union Jack Ansprüche des Vereinigten Königreichs geltend. Er gab der Insel nach einem Lord der Admiralität den Namen 'Graham'.

Auch aus Frankreich kam ein Schiff mit der Absicht, sich den auch nach dem Ende der großen Eruptionen immer noch unruhigen Haufen aus Vulkangestein unter den Nagel zu reißen. Die Franzosen kreierten mit 'Giulia' den dritten Namen für die Insel. Dieser sollte an den Monat Juli erinnern, in dem sie entstanden ist.

Nicht nur militärisch-strategische Gründe sorgten dafür, dass in Sciacca ein ungewohnter touristischer Boom einsetzte. Der französische König Louis-Philippe I. kam, ohne Ferdinandea überhaupt gesehen zu haben, auf die Idee, von deren mutmaßlich vorhandenen Heilquellen zu profitieren und sie zu einem Kurort zu machen. Die Vorstellung eines neuen Vichy im Mittelmeer begeisterte ihn. Doch als sich bereits die ersten Kurgäste eingefunden hatten und sich auch die Presse für das Thema interessierte, machte der Geologe Hoffmann eine Entdeckung, die alles änderte.

Lesen?

Ferdinandea - Die Insel der verlorenen Träume ist ein sehr gelungener historischer Roman. Strohmeyr schafft es elegant, die vielen verschiedenen Figuren so zu platzieren, dass nie der Überblick verloren geht. Darüber hinaus zeichnet er anhand dieses Ereignisses, wie sehr der menschliche Jahrmarkt der Eitelkeiten dazu beiträgt, kleine Wünsche zu großen Visionen anschwellen zu lassen und dabei die Realität mit ihren unschönen und unbequemen Nuancen ein Stück weit außen vor zu lassen. Leseempfehlung!

Ferdinandea - Die Insel der verlorenen Träume ist 2021 beim Südverlag erschienen und kostet als gebundenes Buch mit Lesebändchen 24 Euro.

gemeinfreies Bild, das Ferdinandeas Entstehung zeigt;  Link:
Ferdinandea – Wikipedia

 



Freitag, 23. April 2021

# 287 - Ernstfall Liebe? Kein Kitsch, sondern aus dem Leben erzählt

Auch wenn der Titel des Romans Die Liebe im Ernstfall das nahelegen könnte: Bei diesem Buch der Leipziger Schriftstellerin Daniela Krien handelt es sich nicht um einen klassischen Liebesroman mit den (gewohnt) kitschigen Einschlägen. Wenn es den Begriff 'Lebensroman' gäbe, würde er hier passen.

Krien schreibt über fünf Frauen, die etwa so alt sind wie sie selbst: geboren in den 1970-er Jahren in der DDR, nach der Wende mit völlig anderen Bedingungen konfrontiert und damit der Notwendigkeit, sich neu zurechtzufinden.
Jeder dieser Frauen ist ein eigenes Kapitel gewidmet, alle haben ihren Lebensmittelpunkt in Leipzig und trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben sie gemeinsam, dass ihre Lebensläufe Brüche aufweisen, die sie zu Richtungsänderungen zwingen.

Alle Fünf sind miteinander verbunden, sei es durch Verwandtschaft, Freundschaft oder aufgrund der Tatsache, dass die eine die Patientin der anderen ist. Gemeinsam ist den meisten von ihnen auch der Wunsch nach einer stabilen Partnerschaft. Dafür nehmen sie einige Dinge in Kauf, die nichts mit einer Beziehung auf Augenhöhe zu tun haben: Eine der Frauen widerspricht nicht, als ihr künftiger Ehemann beschließt, dass sie künftig in einem Loft wohnen würden. Erst mit ihrer Schwangerschaft willigt er widerstrebend in einen Umzug eine 'normale' Wohnung ein. Da werden Egoismen ertragen oder klein geredet, oft enden Streitigkeiten mit Versöhnungssex. Nur eine der Frauen, eine Ärztin, hat andere Prioritäten: Ihr wichtigstes Lebewesen ist ihr Pferd, Männer sind nur für flüchtige Beziehungen da, nachdem man sie sich auf einer Dating-Plattform ausgewählt hat.

Der Roman erzählt davon, wie sich Menschen näherkommen, zu Paaren werden und irgendwann einer von ihnen des anderen überdrüssig wird oder sich von ihm entfremdet. Fremd zu gehen ist dann der Weg der Männer, auf die Belastungen in der festen Beziehung zu reagieren. Aber Daniela Krien schreibt auch darüber, dass Menschen durch die Vergangenheit (Kindheit, Eltern etc.) ebenso wie die Gegenwart geformt werden und sich so viele ihrer Verhaltensweisen erklären lassen.

Beim Lesen drängt sich häufig die Vermutung auf, dass Krien viel aus ihrem eigenen Leben in ihren Roman hat einfließen lassen. Eine der Frauen verliert ihre acht Monate alte Tochter wenige Tage nach einer Impfung. Eine Obduktion ergibt, dass das Kind nicht als Folge der Impfung, sondern am plötzlichen Kindstod verstorben ist. Die Autorin hat selbst eine sehr ähnliche Erfahrung machen müssen: Eine ihrer Töchter erlitt einen Impfschaden und wird ihr Leben lang so schwer behindert sein, dass sie nicht ohne Betreuung auskommt. 

Alle fünf Frauen müssen eine Entscheidung treffen: Wie wichtig ist ihnen eine Familie? Stehen eigene Kinder der Selbstverwirklichung entgegen? Um jeden Entschluss wird gerungen, und es geht auch um die Frage, inwieweit der Verlauf eines Lebens Schicksal ist oder durch eigene Entscheidungen gelenkt wird.

Lesen?

Trotz aller Probleme, denen sich die Frauen stellen, ist der Roman nicht düster, sondern hat durch Kriens besonderen Schreibstil eine Leichtigkeit, die das Interesse an den Schicksalen der Frauen bis zum Schluss aufrecht erhält. Über allem steht der Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern sich dem Leben zu stellen. Das macht das Buch sehr lesenswert.

Die Liebe im Ernstfall ist 2019 im Diogenes Verlag erschienen und kostet als gebundenes Buch 22 Euro, als Taschenbuch 13 Euro sowie als E-Book 10,99 Euro.

Freitag, 16. April 2021

# 286 - Eine zerstörte Kindheit in den 1970-ern

Der belgische Schriftsteller Dimitri Verhulst lässt in seine Romane viel aus seiner eigenen Biografie einfließen. Das ist in seinem 2011 erschienen Buch Die letzte Liebe meiner Mutter nicht anders.

Der Roman spielt in den 1970-er Jahren, als die Vorstellungen davon, wie Dinge zu sein hatten und wie man mit Problemen umging, sich deutlich von den heutigen unterschieden.
Im Mittelpunkt steht der elfjährige Jimmy. Seine Mutter Martine hat sich von ihrem Mann, einem gewalttätigen Säufer, der seinen Lohn in die nächste Kneipe trug, getrennt und ist schon kurze Zeit später eine neue Beziehung eingegangen: Wannes Impens ist Arbeiter bei VW, findet aber, dass er irgendwie nicht zu den einfachen Leuten dort gehört. Er zieht rasch bei Martine ein und lässt so das Leben bei seinen Eltern hinter sich. Dass zu der neuen Partnerschaft auch ein Kind gehört, nimmt er zunächst hin, entwickelt sich für ihn allerdings immer mehr zu einem Ärgernis. Daraus, dass er Jimmy für einen Störfaktor hält, macht Wannes keinen Hehl.

Martine sehnt sich nach einer bürgerlichen Normalität und blendet Wannes' unschöne Eigenschaften kurzerhand aus. Er ist für sie eine Art Erlöser, der sie aus der Armut in ein besseres Leben führt. Da liegt der Gedanke an einen gemeinsamen Urlaub nah, und Wannes bucht für die kleine Patchworkfamilie eine einwöchige Busreise in den Schwarzwald. Unterwegs ist er bemüht, den Mitreisenden eine heile Familie vorzugaukeln und schärft Jimmy ein, ihn nur mit "Vater" anzusprechen. Dem Jungen ist jedoch sonnenklar, dass er in der Gunst seines wahrscheinlich künftigen Stiefvaters nicht höher als eine Waldameise steht, und ignoriert Wannes' Ansagen. Zwischen den beiden wächst eine Feindschaft heran, die während des Urlaubs ihren Höhepunkt findet, als Jimmy in eine lebensgefährliche Situation gerät. Und dann trifft die schwangere Martine eine Entscheidung, die Jimmys Leben von Grund auf verändert und über die sich Wannes gefreut haben wird. Der Umstand, dass der Junge wie das Abbild seines Vaters aussieht, dürfte zu der verhängnisvollen Entwicklung beigetragen haben.

Lesen?

Verhulst schildert sehr authentisch das Leben der sog. "kleinen Leute" in Belgien während der 1970-er Jahre, das sich in Deutschland ganz ähnlich abgespielt hat. Alles, was den Anschein einer heilen Familie trüben könnte, wurde unter den Teppich gekehrt und der Wunsch, sich etwas leisten zu können, war immer präsent. Vorurteile waren durch praktisch nichts zu erschüttern, was insbesondere bei der Schilderung der Busfahrt durch das Steuerparadies Luxemburg mit seinen überteuerten Raststätten-Toiletten und Frankreich mit seinen Zollbeamten, die sich nach dem Verzehr eines schlechten Essens an den Touristen rächten, indem sie deren Autos akribisch durchsuchten, deutlich wird.

Die Handlung ist dann aber ziemlich abrupt an ihrem Ende angekommen, als Verhulst lässig die nächsten achtzig Jahre überspringt und auf den nun 91-jährigen Jimmy blickt. Kurz vor dem Ende seines Lebens kommt es zu einer Begegnung, auf die er seit Jahrzehnten gewartet hatte.

Lesen? Ja, denn das einzige, was man an diesem Roman vermisst, ist ein längerer Blick auf Jimmys Leben nach dem Schwarzwaldurlaub.

Die letzte Liebe meiner Mutter ist 2011 erstmals als E-Book im Luchterhand Verlag erschienen (siehe Coverfoto) und kostet 7,99 Euro. 2013 wurde bei btb eine broschierte Ausgabe zum Preis von 8,99 Euro herausgegeben.

Freitag, 9. April 2021

# 285 - Wie menschlich kann ein Schimpanse sein?

T.C. Boyles neuester Roman Sprich mit mir spielt im Jahr 1978. Die junge Studentin Aimee Villard führt ein zurückgezogenes und unaufgeregtes Leben. Das ändert sich, als sie zufällig eine Fernseh-Gameshow einschaltet, in der der Wissenschaftler Guy Schermerhorn mit dem Schimpansen Sam auftritt.

Guy ist Professor an der UCSM in San Marcos, 100 Meilen südlich von L. A. Er behauptet, Schimpansen das Sprechen mittels Gebärden beibringen zu können und will das nun mit dem TV-Auftritt beweisen. Sam ist zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre alt und wurde für den Auftritt wie ein Mensch eingekleidet. 

In der Uni stößt Aimee zufällig auf einen Aushang, mit dem Guy nach studentischen Hilfskräften für sein Projekt sucht. Aimees Interesse ist geweckt. Bislang hatte sich Guys Frau mit engagiert, aber nachdem sie ihn verlassen hat, gibt es auf seiner Forschungsranch ein Personalproblem. 

Sam muss ununterbrochen betreut werden, um ihn daran zu hindern, um sich herum ein Chaos anzurichten. Die Sorge, dass die zierliche Aimee mit dieser Aufgabe überfordert sein könnte, erweist sich schon bei ihrem Vorstellungstermin als unbegründet: Der Schimpanse ist sofort von ihr begeistert und sucht sie selbst aus.

In der folgenden Zeit intensiviert sich ihr Verhältnis: Sam verliebt sich in Aimee und beansprucht sie Tag und Nacht, die Studentin hingegen hat mit dem neuen Job ihren persönlichen Lebenssinn gefunden. Sams Fähigkeit, sich mit Gebärden zu artikulieren, ist bemerkenswert: Er ist in der Lage, Bedürfnisse zu formulieren, hat aber auch begriffen, dass gutes Benehmen zu Belohnungen führt. Seine Erkenntnisse setzt er gern ein, wenn es nötig ist.

Sam hat an seine Artgenossen praktisch keine Erinnerung. Er wurde seiner in Freiheit lebenden Mutter noch als Baby entrissen, nachdem man sie mit einem Betäubungspfeil handlungsunfähig gemacht hatte. Deshalb sieht sich der Schimpanse in der Gesellschaft von Aimee, Guy und anderen studentischen Hilfskräften als einer von ihnen. Seine Andersartigkeit ist ihm nicht bewusst.

Als das Forschungsprojekt in Schwierigkeiten gerät, verlangt Guys Vorgesetzter, Professor Moncrief, dessen Beendigung und Sams Rückgabe an ihn als seinen Eigentümer. Das Schicksal des Schimpansen scheint besiegelt zu sein: Er ist für den Laborkäfig mitten unter anderen Schimpansen vorgesehen und wird später an ein anderes Labor weiterverkauft werden. Die Zeit in der verdreckten Schimpansenanlage erlebt Sam als traumatisch, zumal er sich mit seinen Artgenossen nicht verständigen kann. Für ihn sind sie alle nur schwarze Käfer.

In dieser für Sam kritischen Situation offenbart sich die unterschiedliche Sichtweise von Guy und Aimee: Für den Professor dient das Projekt mit Sam in erster Linie dazu, die eigene fachliche Reputation zu vermehren, dafür nimmt er die Einschränkungen seines Privatlebens in Kauf. Aimee hat zu dem Schimpansen jedoch eine emotionale Beziehung aufgebaut, sodass sie sich für sein Wohlergehen und seinen Schutz verantwortlich fühlt. Deshalb ist ihr auch bewusst, von wessen Seite Sam die größte Gefahr droht: Moncrief betrachtet Sam als eine Sache, mit der er umgehen kann, wie er es für richtig hält. Aimee beschließt, Sam mit einer waghalsigen Aktion vor einem Schicksal als Labortier zu bewahren.

Lesen?

Boyle beschäftigt sich in seinem Buch mit mehreren Fragen: Wie vermessen ist es, ein Wesen nach den eigenen Vorstellungen zu formen und ihm seinen Willen aufzuzwingen? Und ist es vorstellbar, dass Sam nicht nur Erlerntes anwenden, sondern auch abstrahieren kann? Die Beschreibung des Schimpansen legt nahe, dass er dem Menschen ähnlicher ist als seinen Artgenossen. Sogar eine religiöse Komponente kommt ins Spiel, als es darum geht, ob Sam eine Seele nach unseren Vorstellungen haben und deshalb getauft werden könnte.

Man staunt beim Lesen über Sams Fähigkeiten, ärgert sich über Guys Egoismus und Moncriefs Brutalität und verfolgt fasziniert, wie Aimee versucht, Sam vor einem traurigen Schicksal zu bewahren. Man wünscht den beiden eine glückliche Fügung und hat gleichzeitig Zweifel, ob und wie Aimees Plan gelingen kann. Klare Leseempfehlung.

Sprich mit mir ist 2021 im Hanser Verlag erschienen und kostet als gebundene Ausgabe 25 Euro, als E-Book 18,99 Euro sowie als Hörbuch 19,99 Euro (MP3-CD) bzw. 17,95 Euro (Download).

Donnerstag, 1. April 2021

# 284 - Raus ins Grüne! So gemütlich lebt es sich in einem Schrebergarten

Sebastian Lehmann hatte nach 20 Jahren in Berlin
ebenso wie seine Freundin die Nase voll vom ständigen Trubel der Großstadt und den zahllosen Baustellen im eigenen Viertel. Wahrscheinlich wird man, wenn man auf die 40 zugeht, empfindlicher und hat ein größeres Ruhebedürfnis.

Die Lösung scheint dem Paar ganz einfach zu sein: Ein Schrebergarten muss her! Ruhe und Erholung inmitten der Natur, mit dem Zwitschern der Vögel und dem leisen Säuseln des Windes als einzige harmoniestiftende Geräuschquellen. Das ist der Einstieg für sein Buch Das hatte ich mir grüner vorgestellt.

Lehmann erstellt eine Liste mit Kriterien, die das künftige Refugium erfüllen muss und schon kann die Suche nach einem geeigneten Garten losgehen. Blöd nur, dass auf diese originelle Idee auch viele andere Stadtflüchtlinge gekommen sind. Deshalb muss der Suchradius etwas ausgedehnt werden. Und tatsächlich: Nach einigen Misserfolgen ergibt sich die Möglichkeit, ein Gartengrundstück in einer sehr kleinen Kolonie auf dem platten mecklenburgischen Land zu kaufen. Das benachbarte Dorf bietet außer einer Straße keine Infrastruktur, der bereits vorhandene Bungalow schreit nach einer Sanierung und der eigentliche Garten hat in den vergangenen Jahren die Gelegenheit genutzt, sich frei zu entfalten.

Doch Lehmann, dem alles Handwerkliche bislang fremd war, sieht die Gesamtsituation als zu bewältigende Herausforderung an und kauft die Parzelle. Nebenbei stellt sich heraus, dass er nicht nur körperlichen Arbeiten sondern auch rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einem Immobilienkauf ahnungslos gegenübersteht. Irgendwie wird es schon werden - das ist seine Herangehensweise allen Dingen gegenüber, die ihm fremd sind.

Mit Humor beschreibt der frischgebackene Hobbygärtner die Probleme, die sich im Laufe des ersten Gartenjahres auftun: Für ihn völlig überraschend realisiert er, dass die Gartenkolonie so weit draußen nicht an ein öffentliches Abwassernetz angeschlossen ist. Gerade noch rechtzeitig erreicht er eine Firma, die ihm seine Sammelgrube leerpumpt. Auch die Renovierung des Bungalows wirft Probleme auf: Der Boden ist uneben, die Veranda morsch und zum Entsetzen des Paares haben sich im Haus Spinnen gemütlich eingerichtet.

Die Illusion von entspannten Wochenenden im Liegestuhl zerplatzt ziemlich schnell, weil ein Problem das andere ablöst. Aber zum Glück ist da der Gartennachbar Heinz, der ganzjährig Feinrippunterhemden trägt und immer mit dem passenden Kommentar zur Stelle ist. Ohne seine Tipps wäre Lehmann möglicherweise bei seinem Versuch, ein Freizeit-Landei zu werden, krachend gescheitert.

Lesen?

Sebastian Lehmann ist Buchautor, Poetry Slammer und Kleinkünstler. Dass es in diesem Buch also eher um die lustigen Seiten des gärtnerischen Scheiterns als um die Heldentaten eines Großstädters gehen würde, war klar. Etliche Szenen sind wirklich witzig, andere leider aber klischeehaft: Ob es Heinz' Feinrippunterhemd, die eigene verkrampfte Anpassung an den örtlichen "Dresscode" oder das kontinuierliche Nichtwissen ist - das Gefühl, das schon mal irgendwo anders gelesen zu haben, wird bei jedem Kapitel stärker. Das hatte ich mir grüner vorgestellt ist nette Unterhaltung für einen Tag am Meer, auf dem Balkon oder ja, auch im Schrebergarten. Und zum Schluss wird dort, wo bislang eine olle Tanne gestanden hat, was gepflanzt? Genau, ein Apfelbaum.

Das hatte ich mir grüner vorgestellt ist im Goldmann Verlag erschienen und kostet als Klappenbroschur-Ausgabe 13 Euro und als E-Book 9,99 Euro.

Nachtrag: Es gibt Dinge, die mich bei Büchern ärgern, unabhängig von Verlag oder Autor/in. Dazu gehören Mängel beim Korrektorat, sodass es sich beim Lesen so anfühlt, als würde ich quasi beim Gehen mit dem Fuß hängenbleiben. Da wird dann die heisere zu einer heißeren Nachtigall oder "die ehemaligen Sozialdemokraten spuckten nur noch als seelenlose Gespenster ganz hinten in meinem Kopf herum."

An der Stelle kann man eventuell noch sagen, dass das schon mal passieren kann. Aber wenn auch der Imperativ falsch gebildet wird ("breche" statt "brich" oder "sehe" statt "sieh"), habe ich bei einem Verlag, der im Bereich der Taschenbücher zu den umsatzstärksten gehört, kein Verständnis mehr.